Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

Entwi>kelung8geſchichte der Jnfuſorien. 661

Geſchichte derſelben bis 1838 findet man in Ehrenbergs großem, {hon bei Gelegenheit der Nädertiere angezogenem Werke. Jch habe keine Veranlaſſung, eine dana<h {hon vor Jahren gemachte Darſtellung dieſes merkwürdigen Fntermezzos in andere Worte zu kleiden.

Es war im Jahre 1675, als der berühmte Leeuwenhoe> in einem Tropfen ge\ammelten Regenwaſſers die Tierchen entde>te, die von einer zwei Fahre ſpäter erfolgten zweiten Entde>ung ihren Namen erhielten. Er unterſuchte alles, was ihm vorkam, mit ſeinen Mikroſkopen und experimentierte auf die mannigfachſte Weiſe; ſo hatte er auch einmal geſtoßenen Pfeffer in ein Reagenzglas mit Regenwaſſer gethan und war erſtaunt, nah einiger Zeit das Gefäß von belebten Geſchöpfen wimmeln zu finden, welche jenen aus dem Regenwaſſertropfen zu gleichen ſchienen. Solches Reſultat ergab die erſte, zu einem wiſſenſchaftlihen Zwe>e angeſtellte Fnfuſion; die darin gefundenen Organismen wurden jedoch erſt 100 Jahre ſpäter von Ledermüller und Wrisberg als Fnfuſionstierhen bezeihnet. Nachdem Leeuwenhoe> ſeine Beobachtungen bekannt gemacht, wurde es faſt eine Modeſache, mit Aufgüſſen oder Fnfuſionen Verſuche anzuſtellen. Es koſtete ſo wenig Mühe. Jeder glaubte ſih auf ſein Auge und ſein ſ{hle<tes Mikroſkop verlaſſen zu können, und ſo förderte man ohne Urteil mitunter die wunderbarſten Dinge aus den Aufgüſſen zu Tage. Eine Menge Bücher erſchienen , welche dem gebildeten Publikum den Gegenſtand zugänglih zu machen ſuchten. Eins der abſonderlichſten hat Sr. Kaiſerlichen Majeſtät Jngenieur Griendel von Ah zum Verfaſſer. Nah den Beſchreibungen von Ameiſen und Mü>en, welche ihm unter dem Mikroſkop zu fürchterlichen Ungeheuern mit Zangen, Haken und Schildern anſchwellen, teilt er auh ein Pröbchen ſeiner Fnfuſionsverſuche mit. Es handelt ſich um nichts Geringeres, als um die Erzeugung eines Froſches. „Jh habe zuletzt niht weniger eines Froſches wunderliche Hervorbringung an das Weltlicht ſtellen wollen, welche ih dur< das Vergrößerungsglas obſervirt. Einſtmals nahm ih einen Tropfen Maienthau und legte ihn unter das Vergrößerungsglas. Da nahm ih in Acht, wie er ſich anfinge zu fermentiren. Den andern Tag ſah ih weiter darnach und fand ſchon ein Korpus mit einem ungeſtalteten Kopf, ſebte es beiſeits, und als ih den dritten Tag wiederum ſelbiges beſahe, konnte ih {hon abmerken, daß es die Geſtalt mit einem großen Kopf und Füßen wie ein Laubfroſch angenommen. Die Figur 12 ſtellet Alles deutlih vor Augen.“

Wie Griendel ſeinen Froſch ſhon niht mit gewöhnlichem Quellwaſſer entſtehen läßt, ſondern den geheimnisvollen Maitau ſammelt, ſo nahm man überhaupt alle erdenklichen Flüſſigkeiten, Fleiſhbrühe, Milch, Blut, Speichel, Eſſig, um damit die verſchiedenartigſten lieblihen und unlieblihen Subſtanzen aus allen Reichen der Natur zu übergießen und ſih und gute Freunde an dem Erſcheinen des Gewimmels zu ergößen.

Fm allgemeinen mahte man dabei folgende Bemerkungen: war das den Aufguß enthaltende Geſäß unbede>t und der Luft frei ausgeſeßt, ſo war es immer na< kürzerer oder längerer Zeit angefüllt mit Millionen lebender Weſen, die man jedo<h na< den Leiſtungen der damaligen optiſchen Jnſtrumente nur höchſt unvollkommen zu fixieren vermochte. Sparſamer entfaltete ſih das Leben dieſer kleinen Welt wenn das Geſäß leicht, auh nur mit einem Schleier, bede>t war. Nur in ſeltenen, oft zweifelhaften Fällen aber berihten die unermüdlihen Forſcher, daß in der luftdicht verſchloſſenen Flaſche ſich ein Leben entwidelt habe; und noh zweifelhafter erſchien dies, wenn das Waſſer vorher abgekocht oder deſtilliert oder nah der Einfüllung zum Sieden gebraht war. Ferner bemerfte man, daß ſi<h bald auf der frei ſtehenden Jnfuſion, wie überhaupt auf freien, vom Winde nicht bewegten Gewäſſern ein Häutchen bilde, das, ſo unſchuldig es auh iſt, zu den ſonderbarſten Vermutungen Anlaß gab.

Woher kamen jene Lebensformen? Hören wir darüber einige der damaligen und der neueren Naturforſcher. Fhre Anſichten ſind, wie geſagt, meiſt herbeigeführt dur<h mangelhafte