Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6

664 Urtievre. Erſte Klaſſe: Jnfuſorien; erſte Unterklaſſe: Wimperinfuſorien.

Wenn nun aber auh heute niemand mehr daran denkt die Weſen, die wir nah Ausſcheidung vieles Fremdartigen mit einem geſchichtlich gerechtfertigten, aber doch ſchr unpaſſenden Namen „Fufuſionstierhen“ nennen, aus Aufgüſſen „freiwillig“ entſtehen zu laſſen, ſo iſt doh die Grundfrage über die Möglichkeit der Entſtehung organiſcher Körper auf elternloſem Wege durch den direkten unanzweifelbaren Beweis bis zum heutigen Tage noh nicht entſchieden. Es würde uns aber von dem gegenwärtigen Thema über die wahren Znfuſionstiere viel zu weit abführen, wollten wir auch nur die höchſt intereſſanten, von den Pariſer Chemiker Paſteur angeſtellten Fnfuſionsverſuche ſowie die Zweifel gegen ihre allgemeine Gültigkeit, wie ſie z. B. der Botaniker Nägeli ausgedrü>t, im Fluge beſprechen. Man teilt die Fnfuſorien in zwei Unterklaſſen: Wimper- und Geißelinfuſorien.

Erſte Unterflaſſe. Die Wimperinfuſorien (Ciliata).

Die Wimperinfuſorien ſind See- und Süßwaſſerbewohner, viele auh Schmarobßer, welche in ihrer Erſcheinung und Lebensweiſe ſo ſehr an die mikroſkopiſchen Strudelwürmer erinnern, daß ih ſchon ‘vor Fahren mih veranlaßt ſah, ſie überhaupt jenen niedrigen Würmern anzureihen. Wer der Abſtammungstheorie huldigt, wird niht umhin können, die Strudelwürmer von infuſorienartigen Tieren abzuleiten. Man iſt dur vielfa<h übertriebene Ausdru>sweiſe gewöhnt, den Jnfuſorien eine ſolche Kleinheit anzudichten, als ob nur das ſtark bewaffnete Auge von der Exiſtenz der einzelnen \ſi< überzeugen könne. Nun ſind allerdings niht wenige erſt bei 100—300maliger Vergrößerung deutli im Umriß wahrzunehmen, viele andere aber findet der Kenner mit bloßem Auge in dem gegen das Licht gehaltenen Gläschen heraus. Eine beſtimmte typiſhe Form rommt ihnen gemeinſam niht zu, und ohne nähere Berückſichtigung gewiſſer, den e<hten Jnfuſorien nie mangelnder Organe iſt eine Verwechſelung mit Larvenformen anderer niederer Tiere leiht. Fndes hat man ſi< zuerſt daran zu halten, daß die große Mehrzahl der Sippen äußerlih mit Flimmerorganen verſehen iſt, die entweder auf eine Körperſeite oder ſogar nur auf eine Spiralreihe beſ<hränkt ſind, oder den Körper, in enge Reihen geſtellt, mehr gleihmäßig bede>en. Bei den meiſten hilft dann no< zur ferneren Konſtatierung der Fnfuſoriennatur die Auffindung des Mundes als eines anſehnlichen ſpiraligen Spaltes oder Trichters.

Wir machen uns zuvörderſt mit ein paar Sippen verſchiedener Ordnungen bekannt, an denen wir das Gemeinſame und das Eigentümliche hervorheben; dieſe Beiſpiele genügen zu einer erſten Einſicht in den Bau und die Lebensverhältniſſe der Geſamtheit, die wir in der Neuzeit in größter Vollſtändigkeit in einem ausgezeihneten Werke des Prager Profeſſors Stein behandelt finden.

Alle diejenigen Sippen, welche, meiſt von flacher, muſchelſörmiger Geſtalt, nur auf einer Körperſeite bewimpert ſind, bilden die Drdnung der WHypotricha Dahin gehören als eine der gemeinſten Sippe Waffentierhen (Stylonychia) und wiederum die gegen */4 mm lange, nur an der Bauchſeite mit Wimpern verſehene Art Muſcheltierhen (Stylonychia mytilus). ES iſt fehr wenig wähleriſ< in Bezug auf die Gewäſſer, in denen es fortkommt und ſi< zu unzählbaren Mengen vermehrt. Sein Körper iſt, wie bei allen Wimperinfuſorien, von einem ſehr zarten Häutchen umgeben und beſteht im Funeren aus einer hellen, leihtflüſſigen Fnnenmaſſe (Entoplasma), die