Das Autoritäts = Prinzip und die Revolution von 1789

Die Revolution. 9

Recht, daß ſelb das Wort Toleranz als Ausdru dafür faſt tyranniſch erſcheint, da die bloße Exiſtenz einer Autorität, welche die Macht, zu toleriren, alſo auch es nicht zu thun, beſitzt, ein Attentat auf die Freiheit des Gedankens iſt“. Ju einer der folgenden Sitzungen geht er noch weiter: „Man hat von einem herrſchenden Kultus geſprochen; was verſteht man unter herr= ſchendem ? ich verſtehe dies Wort nicht und bitte mireine Definition davon aus. Meint man einen Kultus, welcher die anderen unter= drüct ? Aber, hat die Verſammlung nicht das Wort Unterdrücung geächtet? Oder iſt es die Religion des Fürſten, welche man meint ? Der Fürſt hat nicht das Recht, über die Gewiſſen zu herrſchen oder die Meinungen zu reguliren. Oder meint man den Kultus der Mehrzahl ? Ein Kultus iſt eine Meinung. Dieſer oder jener Kultus iſ ein Reſultat dieſer oder jener Meinung. Aber eine Meinung bildet ſi< niht dnr< Zuſammenzählung der Stimmen. Der Gedanke gehört uns, iſ unabhängig und läßt ſich nicht feſſeln“.

Man ſieht, wie der Muth, ſeine Anſicht in religiöſen Dingen auszuſprechen, ſeine Schwingen zu prüfen begann.

Sehen wir an einem anderen Beiſpiel, mit welcher Schnelligfeit man ſowohl inner- wie außerhalb der Verſammlung von einem ſchüchternen Anfange ſi<h zum Bewußtſein der großen geiſtigen Revolution erhob, welche vorging. Zum rechten Verſtändniſſe wolle man ſi< erinnern, daß in dieſer Verſammlung die Partei der Vergangenheit, welche aus Erzbiſchöfen und Biſchöfen, Prinzen, Herzögen, Marquis und Baronen im Ver-= ein mit einigen Deſerteuren des dritten Standes beſtand, noh ſehr mächtig war. All’ dieſe Männer, welche auf der rechten Seite des Saales verweilten, glaubten no< kaum an die Revolutiou und fertigten oft und wiederholt die ernſthaſteſten Angriffe mit einem Bonmot ab.

Im Oktober 1789 ſteht vor den Schranken der National= verſammlung eine ſeltſam ausſehende Deputation in langen Kleidern und orientaliſcher Tracht. Es ſind Juden aus Elſaß und Lothringen. Sie flehen im Namen ihrer Glaubensgenoſſen um Barmherzigkeit. „Hochgeborene Verſammlung“, ſprachen ſie, „im Namen des Ewigen, welcher der Urſprung,