Das Autoritäts = Prinzip und die Revolution von 1789

8 Die Reaktion in Frankreich.

der Abſtimmung, und obendrein wurde ein Proteſt eingereicht, der von 297 Mitgliedern, worunter 144 von der Kleriſei, unter= ſchrieben war. Man ſ{<wankte und widerſprach ſich ſelbſt. Der Adel, welcher hundert Jahre vorher Ludwig X[V. Beifall zugejauchzt hatte, als er das Edikt von Nantes widerrief, war durch die Einwirkung der Litteratur des achtzehnten Jahrhunderts. ſo umgeſtimmt worden, daß er, da er als Stand verhandelte, in rein voltairianiſchem Geiſte ſich für allgemeine Toleranz ausgeſprochen hatte; aber doh hatte er halb unſicher hinzugefügt, die katholiſche Kirche müſſe Volkskirche ſcin. Der Bürgerſtand.. welcher zum Theil janſeniſtiſ<h und deshalb in Wahrheit viel weniger freiſinnig war, hatte ſih als Stand auf ähnliche ausweichende Art ausgeſprochen. Aber nachdem die Nationalver= ſammlung zuſammengetreten, war der Standpunkt principiell ein ſo beſtimmter, daß jede Ungewißheit im Grunde von vornherein ausgeſchloſſen war. Denn einer der erſten Schritte dieſer Verſammlung war, wie bekannt, die Erklärung der Menſchenrechte, und unter dieſen Menſchenrechten iſ ausdrücklich die Freiheit, zu denken, ſelbſt in religiöſen Dingen auſgeführt. Artikel 10 der Erklärung lautet nämlih: „Niemand darf wegen ſeiner Anſichten, auch nicht wegen ſeiner religiöſen Anſichten, behelligt werden, vorausgeſeßt, daß ſeine Aeußerung derſelben die geſeßliche Ordnung nicht ſtört“. Der Papſt antwortete damit, dieſe Freiheit als „ein ungeheuerliches und wahnwitiges Recht, das die Vernunft (sic!) erſti>t“, zu bezeichnen, und damit, ſollte man meinen, war die Stellung der beiden Lager zu einander beſtimmt.

Man ſpürt, wie die Situation ſi< klärt, als in der conſtituirenden Verſammlung die Rede auf die Toleranz kommt. In dem Antrage auf die Erklärung der Menſchenrechte war ein Artikel folgendermaßen gefaßt: „Die Gottesverehrung gehört zur Pflege der Polizei; folgli<h kommt es der Geſell = ſchaft zu, ſie zu reguliren, einen Kultus zu geſtatten und einen andern zu verbieten“. Mirabeau greift dieſen Artikel auf's Heſtigſte an:

„Sh will nicht Toleranz predigen“, ſagt er. „Die unein= geſchränkteſte Religionsfreiheit iſ in meinen Augen ein ſo heiliges