Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

doch. und das ist das Entscheidende, irgendwie zur Stützung seiner These dienen sollen. Thomas beweist ja zwar auch, daß das Erkennen und Sein in Gott dasselbe sei. Das stimmt zu Edcharts Darlegungen aber nur in einem ganz bestimmt eingeschränkten Sinn, der bei Thomas außerhalb jeder Denkbarkeit steht. Wenn Eckhart das Ganze der thomistischen Lehre über diese Dinge in einem Bewußtsein geschichtlicher Treue überschaut hätte. dann hätte er diese Beweise für sich nicht in Anspruch nehmen können. Es zeigt sich hier wie später in seinem Sapientiakommentar, daß absolute Gegensätze, die wissenschaftlih nur als Widersprüche empfunden werden können, in seinen Schriften nebeneinander stehen. die aber doch immanent eine Auflösung zugunsten seiner eigenen späteren Ansicht erfahren. Es bleibe dahingestellt, wie Eckhart das erlebt haben mag; die Interpretation hat dieser Tatsache Rechnung zu tragen und darf sich nicht mit der hinkenden Erklärung begnügen, Eckhart sei zuweilen ganz korrekt, dann aber zeige sich plötzlich wieder die größte Konfusion (Denifle). Bei einer so markanten Persönlichkeit wie es Meister Eckhart ist, müssen sich eindeutige wissenschaftliche Überzeugungen aufweisen lassen, wenn auch mannigfache Bindungen an die Tradition die Klarheit des Bildes zunächst trüben möchten. Der Verlauf unserer Untersuchung wird ergeben, daß die sogenannte Korrektheit Eeckharts eine zeitbedingte und unbewußte Konzession an die Tradition ist. so wie jedes wissenschaftliche Werk immanent unbewußt die seiner Zeit als selbstverständlich geltenden jeweils weltanschaulich bedingten Grundüberzeugungen unmittelbar in sich aufnimmt. Erst die Reflexion einer späteren Epoche ist imstande, die Schranken einer zeitbedinsten Standpunktlichkeit zu erkennen und Traditionseebundenheit und neues Gedankengut von einander zu sondern.

Anhang:Dieverwandte Haltung der Pred.Pf. 84.

Die Predigt Pf. 84 zeigt eine ähnliche gedankliche Grundstimmung wie die Pariser Quaestio. Sie sondert scharf den Begriff des Seins (wesen) von dem der Vernünftigkeit und prädiziert den ersteren von der Kreatur, den letzteren von Gott. Es spielen hier jedoch mancherlei Motive der thomistischen Gotteslehre und der negativen Theologie hinein, die zumindest terminologish, aber auch sachlich trotz der gekennzeichneten Grundhaltung das Ganze in einem schillernden Lichte erscheinen lassen. Diese Predigt wird in der Eckhartliteratur als ein Musterbeispiel der negativen Theologie aufgeführt (I'hery, Grabmann). Eine solche Auffassung trifft nicht den Kern der Sache. Sie läßt

sich mit zwei Argumenten widerlegen:

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