Der Künstler zwischen Westen und Osten

166 Jakob Böhme

Sprachen im Sterben begriffen. Es befindet sich noch im Status nascendiı. Es keimt so frisch, daß es die hebräische, griechische und lateinische Sprache dem Tode entreißen kann und sich einzuverleiben vermag.

Abraham von Frankenberg erzählt, wie ihm ‚das griechische Wörtlein ‚Idea‘ sonderlich angenehm und, wie er’s nennt, gleichsam eine besondere schöne, himmlische, reine Jungfrau, und geistlich, leiblich erhöhete Göttin war”.

Ist Idea nicht die wiedergeborene Natura selbst? Die jungfräuliche Weisheit? Die Mutter des lebendigen Wortes? Böhmes Herz aber ist die Krippe. Hat man sich ein Kapitel von der Morgenröte herzlich zu eigen gemacht und tritt hernach in den winterlichen Wald, so sieht man diesen verwandelt. So kahl er ist, er erinnert nicht mehr an das Kreuz. Die Sterne sind herabgestiegen. Engel gehen zwischen den Stämmen umher. Die Tanne, der stillste und einsamste unter allen Bäumen, der heidnischste Baum, der Baum des Saturn, ist von einem milden Lichte umflossen. Zwischen den schattigen Nadelbüscheln blitzt es wie Diademe auf. Das ist der ferne Kristallhimmel.

Jetzt begreift man plötzlich, warum Rudolf Steiner einmal sagte, daß niemals ein Weihnachtsbaum, geschmückt mit Kerzen, in eine Stube gestellt worden wäre, wenn nicht vorher Geister wie Tauler, der Straßburger Dominikanermönch, mit Feuerzungen gepredigt hätten. Ihr Herzblut mußte erst vom Auferstehungslicht entbrennen und dann von Menschenseele zu Menschenseele weiterzünden. Der Geist dieser „Gottes-