Die Französische Revolution

110 Drittes Kapitel.

die Hand genommen. Dann bra<h vom Palais Royal !) aus, welches früher immer der Mittelpunkt des Widerſtandes gegen die ſtaatliche Polizeigewalt geweſen, in deſſen Mauern gar oft gegen die beſtehende Ordnung gepredigt worden war, ein Volfshaufe auf, um eben jenes Symbol, die Baſtille zu beſeitigen. Dieſe war nun in den lehten Jahrzehnten alles andere eher denn ein Zwing-Uri geweſen ?). Aber der Glaube, die Ahnung, daß eine Gewaltherrſchaft drohte, ließ ſie dem Volke in ſeiner vielleicht auh durch Hunger erregten Phantaſie als ein Werkzeug des Schreckens erſcheinen. Da es dem Königtume in Paris ſo ziemlich an ſicheren Truppen fehlte, ſo konnten Volkshaufen leicht die Waffenläden, Zeughäuſer oder die Rüſtkammern der Theater plündern und aus geheimen Lagern den Schießbedarf holen. Mögen beim Sturm auf die Baſtille nicht gerade die ſittlichſten Elemente die Träger des Freiheitsgedankens geweſen ſein, die Jdee der Freiheit erwies ſich mächtiger als die des Ancien Regime und ebendaher iſt ſie wirkſamer für die Zukunft geworden. Nunmehr richtete ſich die Wut jener Kreiſe auch gegen die Vertreter der anderen europäiſchen Fürſten, ſo daß ſie in Beſorgnis um ihre Sicherheit gerieten ®?). Noch eine andere Folge hatte jenes Ereignis: die Sturmgloken des Aufſtandes läuteten auch den Tod des Verſailler Bündniſſes ein ©). Was ſollte aber jezt Ludwig XVT. bei der Gefahr, die ihm von ſeinem Volke und dem Herzog von Orléans drohte, tun?

Zunächſt will der Hof, ganz überraſcht wie er iſt, weil ihm der Pöbel zuvorgekommen, mit den Reſten des Verſailler Heeres nach einem befeſtigten Plate, etwa Lille, Mey, Straßburg — alſo auf alle Fälle

1) Es gehörte dem Herzog von Orléans, der ſeit 1774 im Rufe demagogiſcher Umtriebe ſtand. Wie Golh (13. Juli) berichtet, würde aber ſeine Verhaftung in dieſem Augenbli> die Gefahr für das Königtum nur noch geſteigert haben. Auffallend iſt ferner, daß die Zurüſtungen für den Baſtilleſturm mit außerordentlicher Regelmäßigkeit und Ordnung getroffen ſein ſollen (Brief Dorſets an Leeds vom 16. Juli): au< ein Umſtand, der zur Annahme eines geheimen Leiters bere<tigt. Au<h Wahl (a. a. O. S. 203) glaubt an die Exiſtenz einer orléaniſtiſhen Partei. Orléans (Blennerhaſſett a. a. O. Bd. I, S. 407; Span. Arc. 3392 — 14, Juli) hat tatſähli<h daran gedacht, bei der Unfähigkeit des Königs die Zügel der Regierung zu ergreifen, zunächſt als Statthalter und Vormund für den Kronprinzen. Jedenfalls drohte der regierenden Linie von dieſer Seite die größte Gefahr. — Dorſets Brief iſt von Flammermont abgedru>t in den „Relations inédites de la prise de la Bastille“.

2) Fun >-Brentano.

3) Mercy — 283. Juli; Span. Ar. 3392 — 14. und 20. Juli.

4) Wittichen in der Zeitſchrift für Geſchichtswiſſenſchaft, Bd. TX, S. 186.