Die Französische Revolution

140 Viertes Kapitel.

jene auf ihr Erſuchen nicht eingehen würde, hätte ſich die Königin nacly ihrem ganzen früheren Verhalten gleich ſagen können. Aber was man hofft, glaubt man gern. Auch die Neigung Karls TV. von Spanien für die Sache ſeines Stammesvettern war ſehr problematiſch. VDbgleich der Graf Artois nochmals mit den herrlichſten und ergreifendſten Worten dieſem zu Gemüte zu führen ſuchte, wie man gerade von dem Nachfolger Philipps V. alle Rettung erhoffte, und er immer in ſeinen Briefen die Einheit der bourboniſchen Höfe betonte !), wußte der ſpaniſche Bourbone fich davor zu hüten, bindende Verpflichtungen einzugehen : bald fürchtete er, die Nationalverſammlung zu reizen, bald einen Krieg mit England ; ein anderes Mal iſ es gerade dieſer Staat, ohne deſſen Unterſtüßung er nichts zu vermögen glaubt; oder er bittet Artois, nichts zu übereilen und ſich ja nicht in Gefahr zu begeben ?). Köſtlich aber iſt die Regierungsmaxime, die er damals dem Grafen Artois, dem ſpäteren König Karl X. von Frankreich, gibt: „Die Völker ſind Kinder, die man ſehr oft täuſchen muß, um ſie zu pflegen und ihnen Gutes zu tun 9). Köſtlich, weil Karl ſeine Völker nicht gepflegt, ihnen nichts Gutes erwieſen: datiert doch der Verfall Spaniens aus ſeiner Regierungszeit! Darf denn andrerſeits ein Staatsmann ſich einer Täuſchung ſchuldig machen? Sollen denn die Worte Hamlets (in der Friedhofsſzene) wahr ſein, daß der Politiker ſelbſt Gott überliſten wolle? Gewiß kann er ſich über manches hinwegſeßen, ſolange er das Wohl des Volkes wahrnimmt. Die Bedingungen ſind immer: Kongruenz der Amtsführung mit den Jdeen der Zeit und jener ethiſche Beweggrund. Jn dieſer Beziehung hat nun Ludwig XVI. gerade mancherlei geſündigt. Daher und weil ſie im eigenen Intereſſe geſchahen, ſind auh alle ſeine Jutrigen unſittlih und verwerflich, aus dieſem Grunde wird ſih unſer Mitleid für Ludwig ſehr vermindern.

Anfang Mai begab ſih noh der Marquis Bombelles zu Kaiſer Leopold nach Florenz, um wie {hon andere ſo auch er die traurige Lage der königlichen Familie zu ſchildern und um ein Darlehen zu erbitten. Jedoch alles vergebens. Der Florentiner ließ. ſih niht erweichen +“).

Wochen vergingen. Plößlich kommt die Nachricht, die Königsfamilie iſt in der Richtung auf Montmédy abgereiſt. Niemand, kein Botſchafter hatte jet, im Juni, ſo etwas erwartet, ebenſowenig St. Prieſt,

1) Span. Arch. 4038 — mehrmals. 2) Ebenda — 8. Febr. 1791.

3) Ebenda — 21. Mai 1791. 4) Lenz in Sybels H. Z. Bd. LXXII, S. 214.