Die Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

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Abwehrzone. Die große Sturmwelle der Engländer zerfloß, wurde zerteilt und aufgeſogen. Inſeln deutſhen Widerſtandes allenthalben, Freund und Feind waren wunderlih gemiſ<ht. Die Engländer, verdußt, aber zäh, im Kreuzfeuer deutſ<her Maſchinengewehxrneſter, die von vorn, von rüd-

wärts, von den Seiten hex arbeiteten und den Feind daran hindertén, ſi. in geſ<hloſſener Linie feſtzuſeßen. Ein Ver-= bindungsbataillon unter Hauptmann Schre> drang am 7.-

abends bei der Doppelhöhe 60 bis in den zweiten engliſhen Graben vor. Kleine Stoßtruppabteilungen mit einem Éühnen Führer an der Spite leiſteten die Angrifſsarbeit von

ganzen Kompanien. „Links Anſchluß an die Engländer, re<ts fehlt er no,“ meldete ein Kompanieführer, der ſei=

nen Humor niht verloren hatte. Eine andere Kompanie war

bei dex Sprengung faſt völlig verſhüttet worden, ausgenom=-

men den Führer und fünf Mann. Der Leutnant holte ſih weitere zwanzig Mann herbei und verteidigte ſeinen Abſchnitt mit den paax Leuten -

bis zum Abend. Der Führer einer Maſchinengewehrabtei=lung hatte nur no< einen betonierten Stand mit einem unverſehrten Gewehr. Die engliſhen Granaten, die den BetonÎloß na< und na< vom Erdaufwurf freigeſchält hatten, drohten jeden Augenbli> dur< einen [<hweren Volltreffer das vorgeſ<hobene Neſt zu zerſtören. Jede Verbindung war abgeſ{<nitten. Jn aller Ruhe mahten ſih die Leute fertig und _ hielten ſi die engliſhen Stoßtruppe ſtundenlang vom Leibe. Schließlih, na< Verringerung der Éleinen Shar, ging Feld=webel Krug, mit dem Gewehr, dem Reſt der Munition und den [leßten fünf Mann zurüŒ. Die Engländer, die rundum in den Trichtern lauerten, be=ſchoſſen das Häuflein heftig, verwundeten vier Mann und rieſen auf zwanzig. Shritt: „Abſhnallen und hHerkommen!“ Aber der Gewehrführer ſprang mit ſeiner [<weren Laſt keu<hend über das zerwühlte Feld und brachte das Gewehr dur< zum Nachbarregiment, als leßter aus der tapferen Scar.

Mit Bewunderung und

Stolz beobachteten die Kameraden in der Linie dieſe heldenhaften Einzzlkämpfe. Aber ſie ließen es niht dabei bewenden; ſie zogen immer wieder hinaus, um Verwundete zu bergen, Material zu retten oder einen umzingelten Trupp : zu befreien. „Unſere alten Leute,“ ſagten die jungen ODfz fiziere, „das ſind die beſten. Die ſind gar niht umzuwerfen. Man ſollte wahrli<h meinen, ſie hätten genug vom Krieg; und eigentlih haben ſie au< ganz genug: von Verdun und den Argonnen, von der Somme. Abex wenn es e ſe<s Mann zux Patrouille vor, dann ſtehen ſie au< hon da, die Alten zuerſt, Landwehr oder gax Landſturm, Vierzigjährige dabei, und die Meldung, die ſie heimbrin-

gen, die hat Hand und Fuß. Die abgelöſten Leute ſind |

freiwillig den Kameraden beigeſpxungen, als die Shlaht begann. Was wollen die Engländer da ausrihten?®“

Die Kriegslaſten nach dem Frieden\<{luß.

Von Geheimrat Profeſſor Dr. Julius Wolf (Bexlin).

Daß dieſer Krieg in rieſigen, ja ungeheuerlihen Maßverhältniſſen arbeitet, iſt heute niht nur jedem Kriegsteilnehmer, ſondern genau fo jedem Kriegsbeobahter bewußt. Man lieſt von nie dageweſenem Material= und

Jlluſtrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

- haben zuſhulden kommen laſſen.

t Friedrich v. Loßberg, Chef des Generalſtabes einer Mrmee im Weſten, erhielt den Pour le Mérite,

Menſchenverbrauh, von Kampfmitteln in einer Mamuiafaltigkeit, wie ſie keine Zeit vorher gekannt hat, aber von dem, was der Krieg finanziell und wirtſ<haftlih bedeutet,

mat man ſi< trozdem keine rihtige, ja kaum eine annähernde Vorſtellung. Das hängt damit zuſammen, daß-

Das Reich während des Krieges gerade auf dem Gebiet der Finanzwirtſhaft es vermieden hat, zu „unbequem“ zu werden. Die Blutopfer werden jeden Tag getragen. Die Geldopfer des Krieges werden fürs erſte in Papier auf=gebra<ht und im übrigen größtenteils bis na<h dem Kriege vertagt. Db man damit ganz das Richtige getan hat, fann Gegenſtand des Zweifels ſein. Man hat auh ſhon von finanzpolitiſhen Verſäumniſſen geſprochen, die wir uns l 1 Daß wix einen weit größeren Teil des Kriegsaufwandes - dur< Kriegſteuern hätten de>en fönnen, ähnli wie andere friegführende

Staaten, von unſeren Gegnern vor allem England, aber

au< Jtalien, weniger Franï=rei, von unſeren Verbündeten Öſterreih-Ungarn es takten, iſt allerdings zweifellos; aber die Frage, ob- man gut tut, die finanzielle Abrehnung wäh=rend des Krieges zu pflegen oder bis nah dem Kriege auf=_ zuſparen, iſt immerhin ſtrittig. Reichsſchaßſekretär Helſferih hat auf dem erſten Stand=punt geſtanden, ähnli< au< ſein Nachfolger, Graf Rödern, wenn auh deſſen Forderungen verhältnismäßig weiter gingen, aber vox allem der Reihs=tag war beſtimmend für dieſe Art Finanzpolitik und im Reichstag die Verteilung der Parteien. Sie führte dazu, daß der Reichstag direkten Steuern ſeine Gunſt zuwandte, für welche die Verwalter des _ NReichsſhaßes aber darum niht zu haben waren, weil die direten Steuern ‘den Bundesſtaaten zugeſprochen ſind, die indirekte Steuern [{<hwer erheben können, da ſolhe bei verſchiedener Ausgeſtaltung în den verſchiedenen Bundes= ſtaaten zur Schaffung von _Zollſhranken im Reiche führen würden. Nicht kann die Ab= ſicht aber ſein, darum eine Art Vogelſtraußpolitik zu treiben und ſih den Erforderniſſen, die, wenn niht die Gegenwart, ſo die nähſte Zukunft anmelz den wird, zu verſhließen. Vielz mehx gilt es die Augen aufzumachen und die Einlöſung des _ Wechſels vorzubereiten, den _das Reich finanzpolitiſ< Un--

Phot. Hildenbrand, Stuttgart.

| mittelbar nah dem Kriege vorlegen wird.

Als ich im ſe<hsundzwanzigſten Kriegsmonat eine Sammlung von Beiträgen zur Finanzwirtſchaft des Krieges Deröffentlihte (Finanzwirtſhaſtlihe Kriegsaufſäße, Verlag von Ferdinand Enke, Stuttgart 1916), ſagte ih im Borwort: „Dem Krieg wird ein beträchtliher Teil des Bolksvermögens zum Opfer gefallen ſein. Er wird Schulden auf Schulden gehäuft haben, neu für uns 50 oder 60 DDÉT 70 Milliarden Mark, Schulden, die verzinſt und getilgt werden müſſen, und er wird andere Erforderniſſe geſchaffen haben, die niht viel geringere Summen als die Sculdenzinſen beanſpruchen dürften. Wieviel uns davon dur< die Kriegsentſhädigungen unſerer Feinde erſpart werden wird, wiſſen wir heute noh niht. So ſtehen wir vor gewaltigen Aufgaben, den weitaus größten, die ſeit Errichtung des Reiches der Finanzwirtſchaft geſtellt worden ſind. Es gilt beizeiten ſie dur<zudenken und ihre Löſung damit vorzubereiten.“ Die Löſung der Aufgabe, die damals geſtellt wax, war im ſe<hsunddreißigſten Kriegs-

CELA