Die Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

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Während im Gebiete der eben beſprochenen erſten großen Angriffsrihtung noh- ſehr vieles im Werden iſt, ſo iſt in Meſopotamien die Lage zu einem \<ärfer ſih abzeihnenden Abſhluß gelangt. Auch hier haben die Engländer mit größtem politiſhem Geſchi> in den Jahren des Friedens vorgearbeitet. Als ſie das Abkommen Deutſhlands mit der Türkei hinſihtli< dér Bagdadbahn nicht verhindern fonnten, entwerteten ſie dur< die Beſiznahme von Koweit (am Perſiſhen Meerbuſen) Meſopotamien. Sie nahmen der Bagdadbahn ihre Ertragsfähigkeit, die in

der furzen Verbindung von Bagdad mit dem Pexrſiſhen Golf

lag. Nun, im Beſiß des mitten im Frieden der Türkei entriſſenen Koweit, hatte nur England den finanziellen Vorteil einer wirtſhaftlihen Erſ<hließung Meſopotamiens. Denn alle Maſſengüter nehmen den kürzeſten Weg zum Meere, um dur teuere Eiſenbahnfrahten möglihſt wenig an „Welthandelskonkürrenzfähigkeit“ zu verlieren. Dieſer Weg war nur Bagdad—Koweit, niemals die endloſe Landſtre>e Bagdad—Moſul—Djerablus—Aleppo—Alexandrette, die England großmütig den deutſhen Shwärmern ließ. Während des Krieges gedahte England dem erſten

Illuſtrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

Leider erlebte von der Golß die Ernte ſeiner flugen Saat niht mehr. Er erlag der Shmußkrankheit der Türkei, dem

Fle>typhus, wenige Tage bevor ſein Gegner Townshend mit 10 000 Mann. bei Kut-el-Amara die Waffen ſtre>te_Mit dem Tode des Generalfeldmarſchalls von der Golß änderte ſih die ſtrategiſhe Auffaſſung der Türken. Sie legten aus beſonderen politiſhen Gründen das Hauptgewicht ihres Intereſſes nah Perſien, wo einſtweilen Oberſt Bopp vor drü>tender Überlegenheit bis - Bakuba an dex Diala ausgewihen war. Die Türken ließen den Englän=

dern völlig ungeſtörte Zeit, eine neue und nun in jeder

Richtung verbeſſerte Expedition auszurüſten und einzuleiten.

_Dieſe Expediticn hatte gegen die untätig bei Kut-el-Amara

abwartenden, nun unter dem Befehl Halil Paſchas ſtehenden

Türken verhältnismäßig leichte Arbeit und eroberte Änfang

März 1917 Bagdad, deſſen Beſiß ſie dur<h weitergehende Unternehmungen auf Samarra ſiherten (Einzelheiten dieſes

Feldzugs ſiehe Band VI Seite 235).

Der Verluſt Bagdads bedeutete für die Türken eine

“große Einbuße an Anſehen in der ganzen arabiſhen und

perſiſchen. Welt. Auf die Entſcheidung des Weltkrieges e : _______hatle Bagdad keine Ein=-

Nach einer franzöſiſhen Darſtellung.

Schritt einen zweiten folgen zu laſſen, der es zum Herrn ganz Meſopotamiens machen ſollte und au< im Verlauf der Zeit tatſählih gemacht hat. Es galt die Eroberung von Bagdad. Die erſte Expedition ging im Frühjahr 1916 vor ſi. Ihr trat zum Heile der Türkei der deutſche General von der Golß entgegen. Er fand eine außerordentli<h ſ<wierige Lage vor. Von Süden her, den Tigris aufwärts gingen die Engländer gegen Bagdad vor, während in ſeinem Rücken die Ruſſen ſtarke Kräfte in Perſien ſammelten, mit denen ſie über Kermanſhah—Kaſr-i-Schirin die Diala erreichen und ihn völlig abſchneiden fonnten. Von der Golß befand ſih ſo ganz, „wie es im Buche ſteht“, auf der „inneren Linie“. Er tat das in ſolhem Falle einzig Richtige. Er gruppierte ſi ſo, daß er gegen einen der beiden Gegner, den gefährliheren (in dieſem Falle die Engländer), eine _Überlegenheit an Zahl zuſammenbrahhte, während

er dem anderen Feinde mit verſ<hwindend geringen Kräften nur Aufenthalt bereiten ließ. Dieſe leßtere, undankbare und unendli<h ſ<wierige Aufgabe übernahm ein württembergiſher Reiteroffizier, einer der beſten und nüchternſten Beurteiler des Orients, - Oberſt Bopp, und führte ſie zu voller Zufriedenheit des Feldmarſchalls von der Golß aus.

Beförderung einer Meldung nah der vorderſten Linie ‘durch einen franzöſiſchen Kriegshund, an deſſen Hals ein Zettel mit der Nachricht befeſtigt iſt. E S

ſeiner Wünſche in Südperſien zu bewegen.

wirkung und iſt in die-

ſer Hinſiht als innere

türkfiſhe Angelegenheit

_Zzu betrahten.

Die anfänglih gegen die Ruſſen ſiegreihen

Truppen der türkiſhen

Armee J<hſan Paſchas

mußten vor dem Dru der auf Bagdad vorgehenden Engländer wei=hen und zogen [ih eben=falls na< Mordbaby=lonien zurü>. Engländer und Ruſſen vereinigten

ſi an dex Diala.

_ Man hatte von An=fang an in Deutſchland die perſiſhe Frage falſ< beurteilt. Die Perſer hatten feine Veranlaſ=z ſung mit dem weit ent=fernten Deutſchland ge=meinſame Sache zU machen, wo die Ruſſen

im Norden, die Eng-

länder im Süden ihres

Landes ſtanden, bereit,

jede Sympathie für

Deutſchland ſofort mit

Waffengewalt zu unter=

drüd>en. Schwierig für

England war ſeine Aus=_-

einanderſeßung mit Ruß=-

— : land in Perſien. Ruß=land wollte einen Ausgang zum Perſiſhen Meerbuſen. Das aber hätte die Landverbindung Indien—PerſienMeſopotamien—Arabien— Agypten, alſo den grundlegenden; ſeit Jahren mit e<t angelſähſiſher Zähigkeit verz folgten Plan Englands über den Haufen geworfen. Und es gelang England, ſeinen Freund zum Aufgeben aller Gewiß ein Meiſterſtü> im Gebiete der vorteilhaften Bündnispolitik.

Nun ſteht England vor der Verwirklichung eines lange

geträumten -Traumes, vor der Vollendung ſeines vorderaſiatiſhen Reiches, das eine Landverbindung der indiſchen mit der ägyptiſhen Welt darſtellt; ein Gedanke von un=ermeßliher Größe. :

_ Von den Türken kann das Verlorene der ſi< andauernd verſtärkenden militäriſ{ E Englands E niht mehr zurü>gewonnen werden. Ob der Ausgang des Weltfrieges, deſſen Entſcheidung in Frankreih liegt, an dieſen Tatſahen etwas ändern fann, iſt zurzeit no< gar niht zu beurteilen. Es iſt anzunehmen, daß EngTand ſelbſt ſeinen liebſten Freund Frankreih lieber ver= nihten ließe, als daß es die Re<hnung aus ſeiner Privatfaſſe — und die iſt in dieſem Falle Vorderaſien — bezahlen würde. :