Die Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

Die Geſchichte des Weltkrieges 1914/17. -

(Fortſezung.)

Den Überredungskünſten. des franzöſiſhen Munitions=-

miniſters Thomas, der ſi na<h Rußland begeben hatte,

um die Ruſſen unter allen möglihen Drohungen zur

Wiederaufnahme der Kämpfe zu begeiſtern, war es endli< gelungen, den Kriegsminiſter Kerensfi (ſiehe Bild Band V1, Seite. 289) für die gewinnen und das Verſprechen mit nah Hauſe zu nehmen, daß die ruſſiſhe Armee am 1. Juli mit einer Offenſive beginnen würde. Kerenski gab ſi redlih Mühe, den Widerſtand der kriegsmüden Mehrheit des ruſſiſhen Heeres zu brehen und verſicherte ſi<_ vor allem der Unterſtüßung Bruſſilows (ſiehe Bild Band Y, Seite 72), des erfolgreihſten

ruſſiſhen Heerführers, der als militäriſher Organiſator,

gedankenreiher Stratege und fampfſreudiger und ent[<loſſener Taktiker bekannt war. Jn aller Stille traf Bruſſilow ſeine Angriffsvorbereitungen, und ur verabredeten Friſt konnte Kerenski einen \<wungvollen Tagesbefehl an die ruſſiſhe Armee erlaſſen, der als Auſtakt zu den bevorſtehenden Kriegsereigniſſen die Kerngedanken, die für die Wiederaufnahme der Angriffsbewegung maßgebend geweſen waren, furz zuſammenfaßte. Die Friedéns=bewegung der Mittelmächte wurde darin als verräteriſ< bezeihnet; gleihzeitig behauptete Kerensfi, der Vierbund bereite einen neuen Angriff auf Rußland vor, der eine Gefahr für die ruſſiſhe Freiheit und die Erfolge der Revolution bedeute. Dann hieß es weiter: „Es iſt Zeit, daß ihr eure Pfliht erfüllt. Ein Oberbefehlshaber, der den Sieg gewöhnt iſt (gemeint war Bruſſilow), iſt der Anſicht, daß jeder Tag der Verzögerung den Feind verſtärkt, und daß ein einziger entſcheidender Tag ſeine Pläne vereiteln fann.“ Zum Schluß folgte die Aufforderung zur Wiederaufnahme des Kampfes.

Der Tagesbefehl ſtieß in Rußland auf ſtarken Wider-

ſpruch. Die von dem Sozialiſten Lenin geführten Friedens-

freunde glaubten niht an eine Störung der neuen inner-_

politiſchen ruſſiſchen Verhältniſſe dur< die Deutſhen und ihre Verbündeten und boten deshalb alles auf, um die Offenſive, die nah ihrer Auffaſſung im Falle des Mißlingens leiht den Todesſtoß für die ruſſiſhe Freiheit bedeuten fonnte, zu verhindern. Allein Bruſſilows Geſhüßze

VII. Band.

Anſichten der Vierverbandsmähte zu

Grabenſtellung an einem Fluſſe in Rumänien, . an deſſen anderem Ufer der Gegner liegt.

ließen ihre eherne Stimme ſ<on wieder ertönen. Gegen Ende Juni wurde die Kampſtätigkeit an vielen Teilen der Front lebhafter. Smorgon, Luck, Wolhynien Und Galizien waren Stellen der Unruhe, an der ſiebenbürgiſhen Front und am Sereth regten ſih die Rumänen (ſiehe untenſtehendes Bild) und an der Donau kam es zu umfangreicheren Plänkeleien. Die Starrheit der ruſſiſhen Front wih beſonders an den Flüſſen Narajowka und Zlota Lipa der Bewegung, und bald konnte kein Zweifel mehr darüber herrſchen, daß gerade dort die Ruſſen zahlreihe Geſhüße zuſammengezogen hatten, mit denen ſie ſi für große Unternehmungen einſchoſſen.

Die ruſſiſhe Artillerie hatte ein Wirkungſchießen eröffnet, das allmähli< in Trommelfeuer überging. Vom Stochodabſchnitt ſüdwärts donnerten die Geſhüße auf einer Ausdehnung von wenigſtens hundert Kilometern; das ſtärkſte Feuer laſtete auf den Zlota Lipa- und Narajowfaſtellungen. Die dem ſ<werſten Dru> ausgeſeßte Front der verbündeten Heere ſtri<h von Halicz (ſiehe Karte Seite 114) an der Narajowka nordwärts na< Lip=nica Dolna, bog von dort in der Richtung auf die Zlota Lipa nah dem Dorf Mieczyszow ab, kreuzte den Fluß bei Potutory, verlief über die Lyſoniahöhe öſtli< von der Zlota Lipa und folgte dem Fluß bis öſilih von Brzezany. Dort verließ ſie die Zlota Lipa und erreihte über das Dorf Koniu<hy nordoſtwärts Zborow. Dieſe Stellungen hielten die ruhmgetkrönten Heeresgruppen Bothmer und Boehm-Ermolli beſezt. An der Narajowka ſtanden die Deutſchen, bei Miecyszow die Osmanen; die Lyſoniahöhe und die nördliheren Abſchnitte verteidigten die zur Armee Boehm-Ermolli gehörigen Sachſen, denen ſi von Koniu <Yy bis nah Zborow Öſterreicher und Ungarn anſchloſſen.

Bei Brzezany ſtießen ſhon am 28. Juni ruſſi]he Erfundungsabteilungen vor, die aber abgeſhlagen WwUrDeNn. Am folgenden Tage verſtärkte ſih das ruſſiſche Artilleriefeuer nahmittags no, hielt die Nacht über an und ſeßte ſih au< am 30. Juni fort. Es erreihte eine Stärke, wie ſie vorher an der Oſtfront no< nie vorgekommen war. Seine Wirkung ſollte am 30. Juni na<hmittags dur einen Angriff erkundet werden, der in lo>eren Schüßenketten in

Phot, Max Wipperling, Elbe:

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