Die Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

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ſeine Beute, in weitem Bogen umkreiſen. Dex an der Donaumündung gelegene Ort, dex wie alle rumäniſhen und ruſſiſhen Städte aus keinen, meiſt nur einſtö>igen Häuſern beſteht, die teilweiſe ganz aus Holz gebaut ſind, erſtre> ſih, da ſeine Häuſer niht diht nebeneinander liegen, ſondern na orientaliſher Sitte meiſt von Gärten umgeben ſind, trogdem er faum 30 000 Einwohner zählt, übex eine verhältnismäßig ausgedehnte Fläche. Aber der über ihm ſ{<webende Flieger kennt ſi raſh aus, denn der Stadtteil, den ex beſuchen will, iſt niht der mit den beſ<hef= denen Lehmhütten der Bauern oder den hellgeſtrihenen friedlihen Bürgerhäuschen, die ſih maleriſch von dem ſatten Grün der Gärten erheben und deren Weißble<dächer im Sonnenliht wie rieſige Brillanten funkeln, ſondern es iſt der Hafen, die Gegend, wo ſi< die großen Getreideaufzüge und Magazine befinden. Dieſe Gebäude laſſen ſi<h ſhon infolge ihrer ganzen Anlage leiht aus der Luft erkennen,

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und der Flieger ſu<t ſi< dann diejenigen heraus, in deren

Nähe er beſonders regen Verkehr feſtgeſtellt hat.

- Die Wirkung eines ſolhen Fliegerangrifſs fügt dem

Feinde ſtets {weren Schaden zu. Selbſt wenn die bei den gefährdeten Gebäuden aufgeſtellten Abwehrbatterien den

Jlluſtrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/17. |

Bevölkerung — es ſind zumeiſt Flüchtlinge, die niht viel mehr als ihr nates Leben aus der Walathef hierher ret-

teten —, um untex Lebensgefahr aus den brennenden

Magazinen Getreide und Bohnen zu ſtehlen, andere ver= laſſen mit Hab und Gut die gefährliche Nähe des Haſens, um ſih in einen abgelegenen Stadtteil zurüzuziehen.

_Beträhtlih aber iſt der Sa<hſchaden, der durc die Ver= nihtung der großen Vorratsmaſſen der rumäniſchen Heeresleitung zugefügt wurde, die ohnedies kaum noch den Hunger der zahlloſen Flüchtlinge in der Moldau zu ſtillen vermag, Die, ihr Schi>fſal an das ihres Landes fknüpfend, mit der rumäniſhen Armee ins Verderben entflohen.

Walther Rathenau und ſeine Tätigkeit in der Kriegsrohſtoffabteilung. _Von Dr. Seinrih Spiero. (Hierzu das Bild Seite 158.) Durch den Ausbruh des Weltkrieges ward Deutſhland von dem Bezuge der für die Ausrüſtung, Bekleidung und

Kampfkraft des Heeres unentbehrlihen Rohſtoffe alsbald

faſt ganz abgeſchnitten. Nicht nur mußten nah Erſchöpfung

LT

Phot, Berl, ZUuſtrat.=Geſ, m. b. H.

Deutſches Soldatenleben in Paläſtina.

Ein deutſcher Soldat vor ſeinem Zelt.

nahenden Gezgner noh rehtzeitig erſpäht haben, ſo vermögen ſie ihn doh niht mehr von ſeinem Vorhaben abzubringen. Jhre Schrapnelle und Maſchinengewehrgeſchoſſe erreichen ihn niht; ſein ſh<lanker glänzender Leib bleibt ſihtbar und das Rattern ſeines- Motors läßt ſi< immer deutliher vernehmen. Da ſieht man plößlih, wie oben aus den Flugzeugen Éleine weiße Pünktchen herabgleiten, die immer größer werden, je näher ſie dex Erde kommen.

Einige fallen in der Nähe der großen Magazine nieder,

andere treffen dieſe ſelbſt, und manche verſhwinden au< auf den Landepläßen der Schiffe. Aber kaum ſind ſie dem BVli>e entſ<hwunden, ſo vernimmt ſie au< ſhon das Ohx, denn überall, wo ſo ein fleines weißes Wölkchen niederfiel, erfolgte eïne furhtbare Exploſion; Häuſerfronten wanken und ſtürzen, alles mit ſich reißend, krahend zuſammen, S<hmerzenſchreie der vom tödlihen Geſchoß oder von den einſtürzenden Trümmern getroffenen Menſchen gellen wider. Aus den Dächern der langgeſtre>ten Holzſ<huppen am Hafen aber ſieht man die Rauhwolken emporſteigen, und wenn der Wind ihre träge Maſſe zerteilt, züngeln rote Flammen gierig an Wänden und Sparren in die Höhe. :

Die Panik und Beſtürzung, die ein ſolher Fliegerangriff in Sulina hervorruſt, benüßt gewöhnli<h ein Teil dex

Phot. Berl. Jlluſtrat.=Geſ, m, b. H.

Bereit zum Aufbxuch in die Wüſle.

der vorhandenen Lager überſeeiſche Stoffe, wie Baums=wolle, Jute, Kautſhuk, Chileſalpeter, völlig ausgehen au< an Wolle, Leder, Metallen, Flahs und Hanf konnten

die Vorräte und die Erzeugung des Reichs und ſeines damali= gen einzigen Verbündeten Öſterreih-Ungarn den über den des Friedens weit hinausgehenden Heeresbedarf niht deen,

wenn niht beſondere, tief einſhneidende Maßnahmen er=-

griffen wurden. — Die aus dieſer Sachlage aufſteigenden, bei einer vorausſihtli< langen Dauer des Krieges um [o

ſ<hwerer wiegenden Bedenken brahten Walther Rathenau, den Schöpfex hervorragender, philoſophiſch vertiefter Werke,

zugleih einen der Führer unſerer Großinduſtrie, in den erſten Auguſttagen 1914 bei dem damaligen Kriegsminiſter v. Falkenhayn zur Geltung. Dieſer erkannte die Richtigkeit der von Rathenau entwid>elten Gedankengänge und berief ihn zum Aufbau und zur Leitung einèr neuen Ab=teilung des Kriegsminiſteriums, der Kriegsrohſtoffabteilung oder, wie ſie heute, au< außerhalb ihres Hauſes, genannt wird, der K.R.A. | : Rathenau ſtellte mit der dur die Lage gebotenen Eile und troß den dur< die Neuheit der- Einrichtung und die Schwierigkeiten der Perſonalbeſhaffung hervorgerufenen Unzulänglichkeiten zunächſt die ungefähre De>ung der deutſchen Induſtrie an den von der Abteilung bearbeiteten