Die Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.
176 e
_ zwed>en dienſtibar gemacht und uns dadur<h gezwungen
hatten, gegen dieſen Mißbrau<h vorzugehen. Befanden
wir Uns Doh dex „Luſitania“ gegenüber in einem ähnlihen Fall, da wir uns- gegen ihre verhängnisvolle Frat | ſhüßen mußten, ohne das Leben der von ihr geführten
Reiſenden und Mannſchaften ſ<honen zu können.
Aber au< die Franzoſen ſelbſt nehmen niht einmal
auf die Kirchen ihres eigenen" Landes in den von uns
beſeßten Gebietsteilen die von uns geforderte Rücſicht, ſondern zerſtören ſie dur< immer wiederholte Beſchießungen, | wenn ſie vermuten, daß ihre Türme unſeren Beobachtern
als Luginsland oder für die Orientierung und Vermeſſung
als [häßenswerte Merkmale dienen. So ſind viele Kirhen |
in erreihbarer Shußweite von dex Kampfesfront in Trüm-
mexr gelegt oder die den Einſturz drohenden Ruinen \{<ließDas iſt um ſo mebr zu
li von uns geſprengï worden. i bedauern, als ſelbſt in feinen Dörfern mit hö<|t ärmlihen Wohn- und Stallungsgebäuden die Kirhen meiſt anſehn=lihe Bauwerïe darſtellen und häufig mit reihen Glas=malereien in den Fenſtern geſ<müdt ſind. Unter anderen
Heiligenbildern und Paſſionsſkulpturen an den Pfeilern und
Wänden fehlt ſelten ein meiſt holzgeſhnißtes, vorwiegend
mit Blau und Silber bemaltes Standbild der Pucelle
(Johanna von Arc), wie ſie mit dem Lilienbannex der Bourbonen im Arm in frommer Verzü>ung die Augen zum Himmel erhebt: eine Heilige, von der die Franzoſen in der Verblendung ihres wahn-= wikigen Haſſes jeßtgleihſam abgefallen ſind, die aber für uns — die wir ſie ſhon aus Sillers Drama lieben — ſo re<ht als ein Sinnbild unausIlöſhliher Feindſchaft gegen England gelten kann. _
__ Noch viel ſtattlicher und reicher ſind natürlih die ſtädtiſhen Kirchen, von denen - der altbe=rühmte: Dom - von St. Quentin der ſ<weren engliſhen Artillerie ein bedauernswertes Ziel bot, während die reizende go=tiſhe Kirche des Städthens Servon an der Aisne — früher ein häufiges Wallfahrtsziel dur< immer wiederholte Beſchießung durc die Franzoſen im Verlauf zweier Kriegsjahre Stü für Stü> zertrümmert worden it.
__ Immerhin bleiben, zumal weiter hinter der Front, no< viel unzerſtörte Kirchen in unſerem Beſiß, die mit ihren hohen und geräumigen Hallen, umgeben von maſſivem Mauerwerk, zu den verſchiedenſten Zwe>en benußt werden. Natürli< rufen ihre Glo>en ſhon längſt niht mehr zur
Andacht. Sie wurden zur Ergänzung unſerer MetallDOL fortgeſhafft ſ<on lange, ehe. man ſih zu dem glei weren Schritt in unſerer Heimat entſchloß. TV “finden in vielen no< regelmäßige Gottesdienſte
ſtatt, teils für unſere Truppen, teils auh für die Landeseinwohner, und in ſchönſter Eintraht we<ſeln dabei die E er verſchiedenen Konfeſſionen und Religionen aD
aufs pietätvollſte ge[<hon manche Orgel erſt unte Orgelbauerxs ihre Sti Wiedergewonnen. ;
_- Bon alters her ſind die Kirchen zur Einrihtung von Feldlazaretten bevorzugt worden. Jhre hohen, luftigen und geräumigen Hallen zu ebener Erde, oder doh nur auf we=nigen breiten und freien Stufen leiht erreihbaxr, eignen ſih vorzüglich für die ſchnelle Unterbringung einex großen Anzahl von Verwundeten. wegungsfrieges mußte man ſih dann häufig begnügen,
nd womöglich ergänzt.
die Geſtühle herauszunehmen und Strohlagerſtätten auf dem Fußboden herzurichten, die erſt beim Eintreten ruhigerer
Bon den Kämpfern der Kronprinzenarmee in der Champagne erbeutete Fahne : der Senegalneger. : 5 E
rihtung und der Shmu> ſolcher Kirchen wird : So hatHand eines geſchi>ten deutſchen |
Im haſtigen Betrieb des Bez
Verhältniſſe dur< hölzerne Behelfsbettſtellen oder eiſerne Patentbetten erſezt wurden. Die Sakriſtei dient dann
meiſtens als Operations- und Verbandraum. o
._ In den heißen Sommermonaten des Vormarſhes war die Kühle der Kirchen eine beſondere Annehmli@keit für
unſere Verwundeten und Kranken; um ſo ſ<hwieriger ge-
ſtaltete ſich die Frage der Heizung während der Winter-
monate. . Rieſige Ba>ſteinöſen Haben ſh dabei no< am
beſten bewährt.
ZU einem andéren Zwe> ſehen wir auf unſerem Bilde
eine franzöſiſhe Dorfkirhe nahe der Kampfſront verwandt. Sie dient hier wie eine Karawanſerei franzöſiſ<hen Landeseinwohnern jeden Alters und Geſ<hle<hts zur vorüber-
gehenden Unterfunſt. — Das enge Zuſammenleben unſerer.
Truppen mit dex einheimiſhen Bevölkerung in den von uns
beſeßten Gebieten, das vielfa<h Verhältniſſe zeitigte, die
ein ſ<hönes Zeugnis ſür die Menſ<hlihkeit unſerer Leute
ablegten, hatte aber au ſeine großen Schattenſeiten, deren hauptſähli<ſte darin beſtand, daß ſih die einheimiſche
Bevölkerung mit Leichtigkeit über unſere Truppengliede-=
rung und -bewegung, die Auſſtellung unſerer Batterien und Munitionslager und die Anlage unſerer Verteidigungswerke unterrihten und
Wegen ihren vielleiht nux ein Dußend Kilo=z metex entfernt liegenden
ten mitteilen fÉonnie. S<hließliG wurde ſie aber au< ſelbſt immer mehr geſährdet, als die
genden Geſhüßen die Ortſchaften zu beſchießen begannen, von denen ſie wußten, daß ſie deut=
Stäben Unterkunft ge=Währe ___ Umdieſeſowie andere Gefahren und Mißſtände zu beſeitigen, ſahen [ih unſere Beſehlshaber _[<ließlih genötigt, die
nächſt aus den nahe an dex Front gelegenen Dör= fern zurüGzuziehen und
> Sabre Wege geleitet werden Tonnte — zu größeren
E e Gruppen vereinigt und für ſih abgeſchloſſen unterzubringen. So konnten ſie niht
nur beſſer in ihren Bewegungen und ihrem Verkehr kontrole liert, ſondern auc ihre Arbeitskräfte — hauptſächlih für Wä-
[cherei, Feld- und Wegebau — planmäßig zuſammengefaßt
und ihre Verpflegung mit den von der Spaniſch-Ameri= faniſchen Hilfsvereinigung gelieferten Mitteln einheitli geregelt werden. — Wir ſehen auf unſerer Abbildung, wie niht nur die innere Ausſtattung der Kixrchenhalle mit Rundbogen=fenſtern und Tonnengewölbe, ihre Kronen und Ampeln, ihre Bild- und Skulpturwerke vollſtändig erhalten ſind, ſondern auh der Geiſtliche iſt no< vorhanden, dex ſeinen heimatlos gewordenen Beichtkindern mit Troſt und Rat ZUE Seite ſteht. — Dur Herausnahme eines der ſeitlihen Fenſter mit vorgelegten Holzſtufen iſt ein Noteingang geſchaffen, der von einem Wachtpoſten gehütet wird. Die Geſtühle ſind hier niht entfernt, ſondern auf deren beiden ſeitlihen Reihen dur<h Holzgefle<htwände Abteilungen geſchaffen worden, in denen die einzelnen Familien zuſammen hauſen oder die
Ledigen getrennt untergebra<t ſind. Die Verpflegung Wird-
von einer gemeinſamen Kochſtelle aus beſorgt.
Franzoſen mik weittxa-=
_ſolhe Wiſſenſchaft auf heimliten
tämpfenden Landsle&-
ſchen Truppenteilen oder
Landeseinwohner ZU=-
ſie — ehe ein endgülti= ger Abtransport în die
Fet iſl dieſe Kirche längſt wieder geräumt und alle
Spukten jener vorübergehenden Belegung beſeitigt worden. Das Fenſter iſt wieder eingeſeßt, und allſonntäglich ziehen unſere Soldaten dur den Haupteingang zum Gottesdienſt in den nun wieder weihevollen Raum. — Wie lange aber wird es dauern, bis die franzöſiſhen Kanonen au< mik
dieſem, allerdings ſ<lihten, Gotteshaus aufgeräumt haben?