Die Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

Die Geſchichte des Weltkrieges 1914/17.

(Fortſetzung.) ;

Wie unerwartet den Ruſſen dex deutſche Gegenſtoß in Oſtz galizien am 19. Juli gekommen war, ging daraus hervor, daß ſie no< am 21. Juli an ihrer Nordwe ſttfront unter General Klembowsfi und an ihrer mittleren We ſt front _ unter General Denikin Angriffe einleiteten, die einen Sieg der in Galizien fe<htenden Truppen zur Vorausſeßung hatten. An dieſen Abſchnitten hatte Kerenski während ſeines Beſuches der ruſſiſhen Feldheere mit allen Mitteln ſeiner

Beredſamkeit für die Aufnahme der Angriffsbewegung. gewirft und den ſtarken Widerſpru< zu überwinden geſu<ht. An der Front Riga—Dwins&—Minsk waren ja die Verbrüderungen mit den Deutſhen am häufigſten geweſen. Hier ſtanden die Bataillone, die ge\<woren hatten, feinen Finger zu rühren, ehe niht England, Frankreih und Italien dem Kriegsziel der ruſſiſ<hen Revolutionäre, einen Frieden ohne Annexionen und Entſchädigungen zu [<hließen, zugeſtimmt Hätten. Dieſe Verhältniſſe erfuhren dur<h die Überredungsfünſte Kerensfis einen ſehr allmählihen Umſ{wung. Als Denikin von ſeinen Truppen Gehorſam forderte, hielten Soldateriabgeordnete in Minsk eine Verſamm-=lung ab, in der ſie mit großer Mehrheit den Beſchluß faßten: „Die an uns ergangene Aufforderung zu einer Angriſſsbewegung muß als ein uns gewaltſam aufgedrungener Befehl betcahtet werden. Dieſe Aufforderung entſpriht niht den Erforderniſſen der internationalen Freiheit und fann nur den Plänen der ruſſiſhen und der internationalen „Bourgeoiſie“ dienen.“ Es bedurfte erſt des ermunternden Beiſpiels ſriſhen Opfermutes der ruſſiſhen Heere in Galizien und der maßloſen Übertreibung ihrer Erfolge, um die “Soldaten Denikins zum Gehorſam zu bringen. e Am 21. Juli ſtießen ſie nah tagelanger ſtarker Artillerievorbereitung vor und gaben nun an Draufgängertum ihren Kameraden in Galizien nihts na<. Während im Gebiet der deutſchen Heeresgruppe des Generaloberſten v. Woyr|< an der Shtſhara und am Serwetſh an dieſem Tage no< eine ſtarte Artillerieſhla<ht wütete, gingen die der Heeresgruppe des Generaloberſten v. Eihhorn gegenüberliegenden Ruſſen zwiſhen Krewo und Smorgon zu Maſſenangriffen über. Auf breiter Front ſtürmten ſie heran und gerieten in das verheerend wirkende Abwehrfeuer der deutſchen Bat-

VIL Band.

e “Kaiſer Karl nimmt im befreiten Czernowiß auf dem NRathauspla6 MNachrichteu vom Kricgſhauplas entnegen LS

terien und Infanterieregimenter. Der Zähigkeit der Deut-= ſchen, die hier gegen ganz beſonders große Übermaht tämpften, gelang es mehrfach, die ruſſiſhen Sturmwellen

zu ſtauen und zum Abfluten zu zwingen; an zahlreihen

Stellen wurde aber die Front der Verteidiger etwas eingebeult und mußte zurü>verlegt werden. e

Auch weiter im Norden, ſüdli<h von Dünaburg, unternahmen ſeit langem fkampfentwöhnte ruſſiſhe Verbände wudtige Angriffe. Unabläſſig verbluteten ſih ihre Bataillone beſonders zwiſhen Smorgon und Krewo, ſüdweſtlih von Dünaburg und bei Jakobſtadt. Hier und da erzielten ſie örtlihe Erfolge, die jedo<h auf die Geſamtlage ohne jeden Einfluß blieben. So waren die Feinde bei Smorgon nah

weſelvollen Kämpfen ſhließlih im Beſiß begrenzter Ge=-

ländeteile geblieben. Dieſe wurden dann von den Deutſchen mit ſo wirkungsvollem zuſammengefaßtem Artilleriefeuer

belegt, daß den Ruſſen nichts anderes übrig blieb, als ihren

Raumgewinn faſt vollſtändig preiszugeben, worauf ſih deutſhen Soldaten wieder in ihren alten Stellungen ei

richten konnten. Das Mißlingen aller ihrer Unternehmungen

auf der ruſſiſhen Nordweſt- und der mittleren Weſtfront ſowie der niederſ<hmetternde Eindru> der aus Oſtgalizien eintreffenden Hiobspoſten lähmten den Tatendrang der Feinde ganz bedeutend; erſt am 9. Auguſt lebte die Gefe<ts=tätigkeit bei Dünaburg und ſüdlih von Smorgon wieder etwas auf. SS

Die Deutſchen hatten in der Abwehr ihrer Gegner in

dem nördlichen Teile der Front wieder Hervorragendes ge=-

leiſtet. Das ungemein tapfere Verhalten der Truppen wurde vom Deutſchen Kaiſer, der ſie Ende Juli beſuchte, auh dankzbax anerkannt. Jn beſonders vorbildliher Weiſe hatte ſih das Pommerſche Landwehrregiment Nr. 2 ausgezeihnet, das ungeachtet ſeiner Verluſte ganz allein den Angriff von

14 ruſſiſhen Regimentern zurükſchlug. Zur Ehrung dieſer

Tapferen machte ſich der Kaiſer zum Chef des Regiments und verlieh ihm ſeinen Namenszug ſowie die Bezeihnung Landwehr-Jnfanterieregiment König Wilhelm Nr. 2. Viele von den Offizieren und Mannſchaften erhielten das Eiſerne Kreuz, während dem Regimentskommandeur Oberſtleutnant v. Bal>e der Orden Pour le Mérite verliehen wurde.

Phot, k. u. k. Kriegsvminiſterium, Wien.

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