Die Physiognomie des Menschen

nicht zur Sache zu gehören scheinen. Die Alten ließen gewöhnlich ihr Haar lang wachsen. Lykurg soll die Bürger angehalten haben, die Haare wachsen zu lassen, da das die Schönen noch reizvoller, die Häßlichen noch abschreckender und furchtbarer mache. Charilaus antwortete auf die Frage, warum er sich die Haare nicht schnitte, weil lange Haare die schönste und billigste Zierde seien. Silius Italicus lobt Scipio mit folgendem Vers: „... Ueber der edlen Stirn hat er lange, wallende Haare“. Aristoteles sagt in seiner „Redekunst“, langes Haar sei ein Zeichen der Freiheit. Mit anderen alten Gebräuchen ist auch diese Haartracht abgeschafft und gilt als schimpflich und weibisch, da nur die Stutzer ihr Haar noch stellenweise und treppenförmig wachsen lassen. Von Martial muß sich jemand schelten lassen, der sein Haar in Löckchen kräuselte: „Eins seiner vielen, zierlichen Löckchen, das lose geheftet, hatte sich ständig gelöst und machte ihm großen Verdruß“. Aehnlich sagt Seneca: Wie entrüsten sie sich, wenn ihre Mähne in Unordnung gerät und nicht in ordentlichen Löckchen liegt! Müßiggänger sind sie und teilen ihre ganze Zeit zwischen Spiegel und Kamm. Solche Possen und künstlichen Empfehlungen zieren nicht den Körper, wie sie glauben, aber sie verraten ihren Geist. Daher stammt auch das Sprichwort, das wir von Sinesius haben: Nur ein Lüstling hat lange Haare. Als Philipp von Mazedonien einen Freund des Antipater zum Richter gewählt hatte, und merkte, daß er Bart und Haare gefärbt hatte, setzte er ihn wieder ab und sagte: Wer schon falsche Haare hat, wie wird der erst in seinen Pflichten sein!

3. Die Haarfarbe.

Einige Physiologen leiten die Haarfarbe aller Lebewesen von der Hautfarbe ab: wie denn meistens Weißhaarige eine helle, Schwarzhaarige eine dunkle, Gescheckthaarige eine gesprenkelte Haut

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