Die Physiognomie des Menschen

samkeit. Aristoteles leitet die weiße Farbe der Haare davon ab, daß die ihr bißchen natürliche Wärme zurücklassende Feuchtigkeit, die sie bei ihrer Entstehung besitzen, austrocknet und als Nahrung verbraucht wird. Wenn der Mensc die natürliche Wärme zugleich mit der Feuchtigkeit verliert, wird er dunkel und schwärzlich, wie aus dem achten Abschnitt der „Probleme“ zu sehen ist. Natürlich heißt diese Wärme zum Unterschied von der Wärme eines besonderen Zustandes, z. B. der Fle&te oder des Greisenalters, wie Aristoteles im fünften Abschnitt seiner „Entstehung der Tiere“ auseinandersetzt. Ferner entstehen weiße Haare an den Stellen, die dur Geschwüre oder Geschwülste oder durch das Sitzen geschädigt sind, weil dort die Feuchtigkeit, woraus die Haare entstehen, austrocknet, und weil diese Stellen verdorren. Daß eine restlose Austrocknung die Ursache der weißen Farbe ist, zeigt die Asche, die von der Hitze weiß wird. Am frühesten ergrauen die Schläfen der Menschen wegen der geringen Menge Feuchtigkeit, die schnell verdirbt und verbraudt wird. So ist es an allen schwachen und gebrechlichen Stellen wegen der ungenügenden Wärme und Feuchtigkeit, weswegen manche Kinder gleich bei der Geburt weiße Haare und Augenbrauen haben wie die Greise. Die meisten weißen Tiere sind schwächer als die schwarzen, denn vor Beendigung ihres Wachstums werden sie infolge der unzureichenden Nahrung dürr und weiß. Manche Menschen werden schon in der Jugend oder gleich nach der Geburt grau und ähneln auch im Charakter den Greisen. Sokrates hatte weißes Haar, wie Sidonius Apollinaris an Faustus schreibt, und Strabo erzählt, Tarquinius sei schon als Kind grau geworden und habe sich durch so hohe Weisheit ausgezeichnet, daß man sagte, er sei von Jugend auf ehrwürdig gewesen. Auch Numa soll nach Servius von Kindesbeinen an grau gewesen sein.

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