Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

112

hinter aller menschlichen Ursachenkette in Zeit und Raum obwaltende Zusammengehörigkeit einer jeden Zelle mit jeder anderen Zelle des Sternenorganismus. Trifit mich als Einzelleben in einem bestimmten geschichtlichem und zeitlichem Augenblick ein Unglück, so hat das doch niemals das ZeitlosUnbedingte selber betroffen. Das Wesen selber ist seelig und erlöst! Und wie die großen Ströme allen Unrat der Menschenstädte ruhig in sich aufnehmen, hinweg tragen und zurückverwandeln in die eine klare lautere Woge, so schwindet ieder Mißton im Einklange des Seins. — — Dasbuddhistische Karma dagegen ist die Gewißheit, daß das Schicksal nicht nur hinzunehmen, sondern von einem Punkte aus auch zu verändern sei, nämlich im Punkte meines eigenen wollenden Selbstes. Der in der Gestaltenkette der Welten zur Erscheinung werdende Lebedurst (bhävo-tanhä) haftet nach dem Untergang von Name und Form (näma-rupa) immer dort neu, wo er wieder Erscheinung werden kann. Ähnlich wie der Funke des Feuers der Möglichkeit nach in allem Stoffe geborgen ist, aber als Erscheinung herausbricht überall dort, wo Gelegenheit dazu gegeben ist und dann, an der einen Stelle gelöscht, sofort neuen Stofi ergreifend, an eine andere Stelle des Raumes haftend üb er springt. — Da nun aber jede Gestalt Ausdruck ihres Wollens ist, so heißt auch Veränderung des Wollens Veränderung der Gestalt und umgekehrt. Erlöschen alles Wollens aber wäre Erlöschen aller Gestalt. Bis aber dieses eintritt müssen wir immer weiter: von weither kommend und noch weithin wandernd. Aber wie und als was wir weiter wandern, das hängt ab von unserer Willen wandelnden Erkenntniß. Wer seinen eingeborenen Gott steigerte zu reinerem Wollen, dem ist Natur schuldig geworden die Verkörperung in höheren Sphären der Erscheinung; wer ihn verkümmern ließ, sinkt wieder hinab in die tiefere Sphäre von Kiesel, Alge und dumpfiem Getier. Was wir sein wollen, Raubtier oder Engel, das sind wir auch gewiß, denn die Gestalt istja eben nur Ausdruck ihres Wollens und gar nichts Anderes.

b) Wie der altindischen Schicksals- und Wiedergeburtenlehre, so hat der jingstgeborene Buddha auch der Lehre vom Nirväna, (nibbänam, der Rükkehr ins Jenseits aller Sinne), die entscheidende etische Wendung gegeben.

Für den Hindu ist Nirvana. Er nennt es daher nie anders als brähma-nirvana. Es ist das zeitlos ewige unbedingte Sein.