Europa und Asien : oder Der Mensch und das Wandellose : Sechs Bücher wider Geschichte und Zeit

177 notwendig zum Hassen, ia zum Verachten seines Vaterlandes hinenttäuscht und hingequält wurde; man denke nur an das Leben von Kleist, Hölderlin, Schopenhauer, Nietzsche, Beethoven, Mozart, Feuerbach, Marees. In China aber läßt man diejenigen, die in Deutschland die einzig einflußlosen sind, die Einsichtigen, zu verantwortlichen Leitern der Volkheit werden. — &

Wäre ‚Glückseligkeit der Menschheit‘ oder wäre ‚der ideale Staat‘ wirklich, (wie Kant lehrt) der Sinn der Geschichte, dann könnten die Handels- oder Säbelimperien des Westens ruhig in die Schule gehen bei ‚dem gespenstigem und putzigem Anachronismus: China.‘ — Die unkriegerische Natur Chinas (noch heute ist der Soldatenstand der am wenigsten geachtete des Landes) und seine Unfähigkeit, moderne Handelsgroßmacht zu werden, (leider schon zerrüttet von den Meerhäfen aus), lezen Zeugnisse ab für Chinas Menschenklugheit, die reifste Klugheit der Erde.

Übertrofien wird dieser Erdengipfel — (denn die Weisheit Indiens ragt wie der Himalaya (Himaly-Himmel) schon ins

Überirdische), — nur von Einem: von China selber in Gestalt des Übermenschen Laotse.. Vor dem freilich geziemt nur Schweigen! — Das Taoteking, der Erde schönstes Buch;

Nichtmehrwollen, Nichtmehrtun (wu-wei) lehrend; Staat und Familienordnung durchbrechend; Logos und Etos überhaupt verweriend, kehrt sich nicht bloß gegen die Kultur Konfutse’s, sondern gegen jede menschliche Kultur der Erde; womit die letzte Lebensnähe und tiefste Einsicht erreicht ist, die je der Mensch auf Erden erreicht hat und je erreichen wird .... Wir besitzen von Laotse nur die 81 ganz kurzen Kapitel des Taoteking, welche gleich der Etik Spinozas nur durch einen Zufall, dank der Bitte eines Grenzaufisehers, als Laotse seine Heimat verließ, für das Menschengeschlecht gerettet wurden. Sonst haben wir von Laotse einzig Kunde durch einen, wenige Sätze umfassenden Bericht über einen Besuch, welchen Konfutse im Jahre 517 v. Chr. bei Laotse gemacht haben soll. Der Bericht ist geschrieben von dem 86 v. Chr. gestorbenen Geschichtsschreiber Sse-ma-tsien und so köstlich, daß ich mir nicht versagen mag, ihn ungekürzt hierherzusetzen:

‚Lao-tse war ein Mann aus dem Dorfe Kü-dschen, Bezirk Li, Kreis Ku, im Lehnstaate Tschu. Sein Familienname war Li, sein‘ Rufname Ri, sein Mannesname Poh-yang, sein Ehrentitel Tan. Er war Geschichtsschreiber der Staatsurkundei im Staate Tschu. Kong-tse begab sich nach Tschu, um Lao-tse über Sittenordnung zu befragen. Lao-tse