Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.
A. Öſterreichs Gegenwehr und Demütigung. DP
fonnte dieſer einzige ſein als der Sohn des Advokaten Carlo Buona=arte. Das war eine ſchwierige Zeit für die Staatsmänner, die in ihre Rechnungen nur Menſchen von normalen Dimenſionen einzuſtellen vermochten und die allmählich erſt erkennen konnten, daß ein Übermenſ< in Europa aufrichtend und zerſtörend, vernichtend und belebend wirkte. Daß unter ſolchen Umſtänden nicht alle Kalküle ſimmten: wer will ſi<h darüber wundern, wer nachträglich den klugen Mann ſpielen? Jn Öſterreich ſahen die großen Tage einen Staatsmann am Steuerruder der äußeren Politik, der für gewöhnliche Zeiten gewiß vollſtändig ausgereicht hätte. Graf Ludwig Cobenzl — der Neffe Philipp Cobenzls — war einer der tüchtigſten Diplomaten, über die Kaiſer Franz verſügte. Schon als Thugut im Herbſte 1800 ſeine Entlaſſung erbeten hatte, wurde Ludwig Cobenzl an ſeine Stelle berufen. Als „Vize-Kanzler““ leitete er auch die ſorgenreichen Friedensverhandlungen in Luneville. Jm erſten Augenblicke der Begegnung machte der neue Staat3mann einen ſ{<le<ten Eindru>, denn er war von ungewöhnlicher Häßlichkeit. Aber ſein verbindliches Benehmen, ſeine lebhafte, geiſtreiche Art der Unterhaltung und ſeine unzerſtörbare Heiterkeit trugen \{ließli< den Sieg davon. Man fühlte ſih ihm gewogen. Mit zwanzig Jahren wurde Ludwig Cobenzl Geſandter in Kopenhagen ; drei Jahre ſpäter kam er als diplomatiſcher Vertreter an den Hof Friedrichs des Großen. Jm Winter 1779 ging er als Geſandter nah St. Petersburg, um in der nordiſchen Metropole zwei Dezennien zu verleben. Kaiſerin Katharina begünſtigte ihn, während Kaiſer PaulT. ihm zulegt ſogar das Erſeinen bei Hofe unterſagte"). Graf Ludwig Cobenzl war ein genußfroher Menſch und es iſt für ihn bezeichnend, daß Kaiſer Franz ſeinem Miniſter eindringlich nahelegen mußte, einen ſittlichen Lebenswandel zu führen. Dennoch galt Cobenzl als ein fleißiger Arbeiter, deſſen Tätigkeit in Tauſenden von Briefen und Akten vergilbende Zeugniſſe hinterlaſſen hat 2).
Nach dem Frieden von Luneville fuhr der Miniſter nach Paris, um Napoleons Freundſchaft für Öſterreich zu erſhmeicheln. Der Jünger des Fürſten Kaunitz gedachte das Bundesverhältnis zwiſchen Paris und Wien zu erneuern. Es fiel ihm nicht leicht, an Napoleon heranzukommen. Als aber die erſte Audienz doch ſtattfand,
1) Allgemeine Deutſche Biographie, 4. Band. (Ludwig Graf Cobenzl
von Hüffer.) 2) Dr. Auguſt Fournier. Genß und Cobenzl. Wien 1880.