Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

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98 Neueſte Geſchichte. 1. Zeitraum.

au< niht ein Entgegenkommen der Bevölkerung in dem eigentlichen Oeſterreich, wie in der Lombardei, aber wenigſtens deren Gleichgültigkeit gegen ihre Regierung erwartet, vernahm aber jeßt, daß ſih überall eine

_ bewaffnete Erhebung vorbereitete. In den ſteiermärkiſhen Alpen, welche

__er bei weiterem Vordringen überſchreiten mußte, wäre ihm ein ſolcher _ Widerſtand beſonders gefährlih geworden. In ſeinem Rüden kündigte

\ſi< unter dem Landvolke der venetianiſchen Terra ferma eine drohende Bewegung an, welche mit dem tyroler Landſturme gemeinſchaftliche Sache machen konnte. Bonaparte hatte gehofft, bei dem kaiſerlichen Hofe die= ſelbe Schwäche wie bei den italieniſhen Regierungen zu finden. Aber es gingen von öſterreichiſcher Seite her niht nur keine Friedensanträge ein, ſondern es waren au< die dur< Vermittlung des Großherzoges von Tosfana nah Wien gelangten Vorſchläge Frankreichs abgelehnt worden,

Unter ſolchen Umſtänden entſchloß ſi< Bonaparte, im Vertrauen, daß ſeine Siege ihn vor dem Verdacht des Kleinmuthes hüßzen mußten, ſelbſt den erſten Schritt zu einer Beilegung der Feindſeligkeiten zu thun. Er ſchrieb von Klagenfurt aus an den Erzherzog Karl, und fragte beè ihm an, ob es nicht ein Mittel gäbe, dem Blutvergießen Einhalt zu thun. Bonaparte kleidete ſeine Abſichten in eme philanthropiſche Wendung ein, die keinesweges in ſeiner Natur lag, ihm aber bei den zahlreichen Frie= densfreunden in Europa, außer dem Rufe eines Helden , auch den eines Menſchenfreundes erwerben ſollte. „Wenn es mir gelänge,“ hieß es in ſeinem Schreiben, „dur dieſe Eröffnung auch nur einem einzigen Men= ſchen das Leben zu retten, ſo würde ih auf die, dadurh verdiente, Bür= gerkrone ſtolzer als auf allen Ruhm ſein, den Kriegsthaten gewähren Fönnen!“ — Bonaparte beobachtete übrigens in ſeiner Mittheilung an den Erzherzog nicht den gegen Mitglieder regierender Familien herrſchen-= den Brauch, indem er dem Bruder des Kaiſers Franz nux den Titel eines Obergenerals beilegte.

Der Erzherzog Karl antwortete nicht ablehnend , erklärte aber keine Vollmacht zu Unterhandlungen zu beſißen , und über den ihm ausgeſpro= nen Wunſch an ſeinen Hof berichten zu müſſen. Bonaparte ergriff ſo= glei< die Offenſive wieder, zog den Kamm der ſteiermärkiſchen Alpen hinauf, nahm Judenburg ein (5. April), und ſtand nur no< 18 Meilen von Wien entfernt. Dbgleich Bonaparte , unter allen Umſtänden, dur ſein Genie und ſein Glü> ein furhtbarer Gegner war, ſo würde doc in Wien, ohne anderweitige Nüfſichten, niht alſobald auf ſeine Anträge eingegangen, und das Kriegsglü> noch weiter verſucht worden ſein. Aber die Kenntniß von der Schwäche des öſterreichiſhen Heeres am Rhein,