Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Stimmung in Oberitalien. 83

hindern. Berthier, den Bonaparte an die Spibe ſeines Generalſtabe8 geſtellt hatte, ergriff eine Fahne, und warf ſich, von mehren Generalen gefolgt, auf die Brücke, welche genommen, und der Uebergang über den Fluß bewerkſtelligt wurde (10. Mai). Von Mailand traf eine Depu=tation, den Erzbiſchof Visconti und den Herzog von Melzi an der Spibe, in Lodi ein, welche um Schuß und Schonung bat. Am 14. Mai zog Bonaparte, unter dem Jubel des Volkes , in der lombardiſchen Haupt-= ſtadt ein. Drei Tage nachher ward dem Herzoge von Modena, Herkuz les, dem leßten männlichen Sprößling der Eſte, gegen Erlegung von 7,500,000 Francs und Ablieferung von 20 Gemälden, Waſſenſtillſtand gewährt.

In den mittleren Klaſſen der Geſellſchaft hatten die Grundſätze der franzöſiſchen Revolution in allen Theilen Ztaliens zahlreichen Anhang gefunden. Unter dem Adel trat dies nur ausnahmsweiſe, da, wo Für= ſtenhäuſer fremden Urſprungs regierten, ein. Die unteren Volksſchichten waren, in Stadt und Land, den beſtehenden Regierungen zugethan, welche, um die ſittliche Fortbildung ihrer Unterthanen unbekümmert, deren maz terielles Wohl nie vernachläſſigt hatten. Es war dies aber eine paſſive Anhänglichkeit, ohne Wärme und Leben, mehr aus Gewohnheit als Veberzeugung entſtanden, und die eben ſo gut dem Vergeſſen Plaßz machen konnte.

Die unvermeidlichen Drangſale des Krieges wurden von der franzöſiſ<hen Militairadminiſtration in unerhörter Weiſe vermehrt. Das in Belgien 1792 begonnene Plünderungsſyſtem hatte ſich in Ztalien no< geſteigert. Die Generale behielten in der Regel nichts für ſi, aber die © das Heer begleitenden Beamten wollten ſich alle in möglichſt kurzer Zeit bereichern. Außer dem, was die Regierungen zu leiſten hatten, wurden no den einzelnen von den Franzoſen beſetzten Landſchaften, nach den Unſtänden, Leiſtungen in Natura oder in Geld auferlegt, und ward zu dieſem Zwe Alles mit Beſchlag belegt. Selbſt die Leihämter , ein bis dahin nie da geweſener Fall, blieben niht verſhont. Deſſen ungeachtet wurde der Soldat unregelmäßig verpflegt, und darauf gewieſen, ſich auf Koſten des Landmannes unmittelbar ſelbſt zu verſorgen. Dieſe Willkür rief endlih in Pavia und der Umgegend einen Aufſtand gegen die Fran= zoſen hervor, der dur die Niederbrennung Binasco's, die Plünderung Pavia's und die Hinrichtung der Rädelsführer unterdrü>t wurde (26. Mai). Dieſe Bewegung und die Rache, wel<e für ſie von den Siegern genommen wurde, ließ ein nie ganz verſchwundenes Gefühl der Verſtimmung gegen die Franzoſen zurü>, das, ſpäter durch die Kon-

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