Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

84 Neueſte Geſchichte. 1. Zeitraum.

ſkription verſtärkt, die franzöſiſche Herrſchaft und deren Einrichtungen, ſüdlich von den Alpen, in den Maſſen keine tiefen Wurzeln ſchlagen ließ.

Die Lombardei hatte, unter Maria Thereſia und Joſeph IL, für eine der am Beſten verwalteten Provinzen der öſterreichiſ<hen Monarchie gegolten. Indeſſen war der Adel, vermöge ſeiner Erinnerungen, dem öſterreichiſhen Hofe immer fremd geblieben, und in dem Bürgerſtande hatten ſi<, von den municipalen Einrichtungen begünſtigt, Spuren des früheren Unabhängigkeitsſinnes erhalten. Die große Mehrheit der in Nord- und Mittelitalien zahlreichen Klaſſe der Gelehrten und literariſch Gebildeten , der Schriftſteller, Künſtler, Profeſſoren, Advokaten u. ſt w.war auf die neuen Ideen mit Begeiſterung eingegangen. Durch Perſo “ nen dieſes Standes ſuchte Bonaparte auf die öffentliche Meinung, welche ſi< bald von Oeſterreich abwandte, und den Gedanken an eine Wieder= herſtellung der italieniſchen Nationalität voranſtellte, zu wirken. Bona= parte, der nah ſeinem Einzuge mehre Wochen über in Mailand ver= weilte, und die Verwaltung der Provinz ſeinen Abſichten gemäß einrichtete, nährte die Hoffnungen der Patrioten, ſhmeichelte dem italieniſchen Volks= gefühl, gab ſi<, was er in der That auh war, für einen Schn Italiens aus und ſtellte einen Bund zwiſchen den beiden Nationen, deren einer er dur Geburt und Blut, der anderen dur< Erziehung und Thaten ange= hörte, in Ausſicht. Dieſes eigenthümliche Verhältniß Bonaparte's blen= rete die Italiener, und veranlaßte ſie, ſeinen Verſprehungen Glauben beizumeſſen. Er ſelbſt, ohne urſprüngliche Neigung und Anhänglichkeit an irgend Etwas außer ihm ſelbſt, betrachtete die Italiener als Sproſſen an der Leiter, an welcher er emporzuſteigen anfing. Ihr herrliches Land mit ſeinen Erinnerungen und Denkmalen ward für ihn, was für einen Schauſpieler die Bühne iſt , ein Mittel, ſich vor den Augen der Welt hervorzuthun.

Bonaparte's perſönliches Verhalten, deſſen ferner liegende Abſichten damals Niemand durchſchauen konnte, war indeſſen wirklich geeignet, die Nationen mit Bewunderung zu erfüllen. In hohem Grade mäßig, raſt= los beſchäftigt, uneigennüßig in Bezug auf Beſitz, Jedermann zugäng= li, ſchien er nur für Andere zu leben. Wes in ſeiner Stellung, als Feldherr und Eroberer, für die Einheimiſchen Drückendes und Gebiete= riſches liegen konnte, ward durch den Antheil, welchen er an dem italieniz ſchen Leben , an Privat- und Volksfeſten, an Theater und Muſik nahm, gemildert. Beſonders gefiel vie Achtung, mit welcher er die ausgezeichz neteren Geiſter des Landes behandelte, die Art, wie er, obgleich ein ſieg= reicher General, das Verdienſt auf dem Gebiete der Wiſſenſchaft und