Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

rend bei Heine die dünne Oberschicht in viele Teilchen zersplittert ist, die durchaus nichts Rohes und Ungefüges, vielmehr etwas übertrieben Dünnes und Blutleeres an sich haben. Bei Al Capone ist der Ausdruck roh und derb, bei Heine aber ist vor allem auf dem ersten Bild dem Munde wie den übrigen Zügen große Feinheit nicht abzusprechen. Und da erinnern wir uns, daß schon wiederholt von der Derbheit oder Feinheit der Ausdruckszüge die Rede war, insbesondere bei den Mundeinstellungen. Wir sahen, daß ein Mund, dessen Oberlippe von der Schmachtstellung durchgearbeitet ist, seine Form unendlich verfeinert und daß auch im Geschmackszug der Unterlippe ein himmelweiter Unterschied besteht zwischen Al Capone und Lessing (VIII, 2). Einen ähnlichen Unterschied finden wir zwischen dem grinsenden Lachen des Primitiven (Strotter XVI, 5), das noch rohen Angriffstendenzen Luft macht, und der lächelnden Dauerhaltung bei Whitman (XIII, 1) oder General Booth (XIII, 3); ja sogar das Angriffslachen kehrt auf höchster Stufe in kultivierter Form wieder (Busch XIV, 7; Offenbach VI, 5). Wir haben einen Blick für die Derbheit oder Feinheit von Ausdruckszügen, an denen wir auch zugleich die Tiefe der Ausdrucksschicht ermessen können, denen sie angehören. Hier trifft es mit großer Wahrscheinlichkeit zu, daß auch Derbheit und Feinheit-der Gesichtspartien rein körperlich, wie die aller Körperformen, von der schwächeren oder stärkeren Durcharbeitung durch die Kleinfunktionen abhängt, denen sie dienen. Die Schreibhand sieht kleiner und ausdrucksvoller aus als die Pratze des Grobschmieds; dafür werden beim Schreiben auch die Muskelfasern der Fingermuskeln so stark differenziert, daß ein eigenes Schreibzentrum im Stirnhirn entsteht (Fig. 3). Es verhält sich dabei ähnlich wie mit der Schmachtstellung. Die Organe werden an ihrer unmittelbaren Funktionserfüllung verhindert, durch neue Aufgaben zu Umwegen

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