Illustrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.

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andauert, nihts an ihrer Angriffsfreudig= keit, ihrer Beweglih-

4. Mannszuht und ih=rem friſ<hfröhlihen Geiſte einbüßt, wird die Hauptſorge ihres Führers, der Prüſſtein für ihre Tüchtigkeit ſein. Dieſe Prüfung durften wir in den leßten Tagen beſtehen.

ſhon lag unſer …. .Regiment zum Teil in erhöhter Bergſtellung, zum Teil in weiter Sandebene, vor Prasz3=nysz, den Ruſſen bis auf 200 Meter gegen= über. Dieſe hatten in ihre Stellung eine dur ſtarke Shanzen-=bauten beſeſtigteBergÉuppe einbezogen, die ihnen eine genaue Beobahtung unſeres Abſ<hnittes und des Hin=terlandes ermöglichte und uns dadur< täg=li<h Verluſte brachte. Dem . .-Regiment fiel nun die ehrenvolle Aufgabe zu, dieſe Schanzen nördli<h Patolenka zu ſtürmen. Mit einer Freude und einer Ausdauer traten Offiziere und Mannſchaften añ dieſen Gefechtsauftrag heran, als gälte es die erſte Waffentat des in vielen früheren und in dieſem Kriege ſhon ſo oft erprobten Regiments zu vollbringen. Um unnötige Verluſte zu vermeiden, wurde der Angriff mit allen Mitteln unter Mitwirkung unſerer Pioniere vorbereitet. Sappen wurden im Schutze der Nacht vorgetrieben, und nah wenigen Tagen hatten einige Sappenköpfe das feindliche Drahthindernis erreiht. Entlang dieſem Hindernis wurde eine neue Jnfanterieſtellung ausgehoben und die Sappen unter dem erſten Hindernis gegen das zweite, ſtärkere vorgeſ<hoben. Minenwerfer wurden eingefahren. Unſere Feld- und ſ<hwere Artillerie hoß ſih genau auf die Hauptangriffspunfte, die beiden Schanzen, ein. | Am 11. Juni frühmorgens begann das Wirkungsſchießen unſerer Artillerie auf die feindlihe Stellung und deren Hinderniſſe in einer halbſtündigen Feuerwelle, der im Laufe des Tages no< zwei weitere Feuerüberfälle folgten. Jn der Nacht vom 11./12. Juni wurden die vorderſten Sappentöpfe zu einer Sturmſtellung verbunden, die ſfeindlihen Drahthinderniſſe dur<ſ<hnitten; bei Tagesanbru< : waren

Eine franzöſiſhe Armbandgranate, da=-

ziviſchen franzöſiſche und engliſche Sand-

granaten verſchiedener Aré, unten rechts

ein aus einer Ronſervenbüchſe hergeſtelltes Wurfgeſchoß-

alle Vorbereitungen zur Erſtürmung der Schanzen getroffen,

das Regiment war zum Sturm bereit.

Zwei Uhr dreißig Minuten eröffnete unſere geſamte Artillerie ihr Feuer auf die ruſſiſhen Stellungen. Mit hellem Pfeifen dur<ſhneiden die Geſchoſſe der Feldhaubißzen die Luft, brauſend ſteuern die ſ<hweren Mörſergranaten gegen den Feind. Tief bohren ſih dieſe ehernen Grüße in den weihen Sand, um mit Donnerkrahen ganze Staubberge in die Luft zu ſhleudern. Nah wenigen Minuten türmt ſih eine haushohe graue Wand über der feindlihen Stellung, durhzud>t von den Blißen der berſtenden Geſchoſſe. Da erhebt ſi<h aus unſeren Schüßengräben eine neue Wand, eine Wand aus Menſchen, die ſih feindwärts wälzt unſere Leute greifen an und ſtürzen ſih in raſhen Sprüngen auf die feindlihe Stellung. Die noh beſtehenden Drahthinderniſſe vermögen den Anſturm niht aufzuhalten, die Mannſchaften, unterſtützt dur< Pioniere, ſ<hneiden ſich Sturmgaſſen hindur<, und mit einem „Hurra“, das den Geſhüßdonner übertönt, brehen unſere Braven in den Feind. Die Anſhlußtruppen re<hts und links unterſtüßen den Angriff dur<h lebhafte Feuertätigkeit, ſ{<rill flingt das Feuer unſerer Maſchinengewehre aus dem Feuerlärm heraus. Die Shlacht iſt in vollem Gange.

Langſam rüd>t die Feuerwalze unſerer Artillerie feind-

feit, nihts an ihrer

Seit einigen Wochen

“Illuſtrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.

wärts Nor, und die Unſrigen folgen mit einer Unerſchro>enheit, die den Sieg an unſere Fahnen bannt. Noch niht zwei Stunden verfloſſen na< dem erſten Shuß, da wankt die ruſſiſhe Linie, der Feind iſt im Rüzug auf der ganzen Front. Schon formen ſi< kleine Trupps Gefangener, ſie wachſen an, und raſ<hen Schrittes ſ<längeln ſi< kleine ruſſiſhe Kolonnen nah rü>wärts unſerer deutſhen Heimat zu die ja ſeit Monaten ihr Ziel war. Die feindlihe Stellung, die Shanzen ſind geſtürmt! Die Waffen haben geſprochen, Todesmut und Wille zum Sieg ließen das Ziel erreichen, jeßt heißt es, das Erreichte feſthalten. Mit fieberhaftem Eifer wird gearbeitet, bereitgeſtellte Hinderniſſe, Shuß= hilde, Sandſä>te werden herangebraht, die feindlihe Stellung für unſere Front umgebaut; die Maſchinengewehre rüden in die geſtürmte Stellung nac: alles iſt bereit, einen Gegenſturm der Ruſſen zu empfangen. Er kam niht, der

- erwartete Gegenangriff, die Ruſſen hatten die Kraft zum

Vorſtoß verloren. Auch während der Nacht blieb alles ruhig. Wohl hatten wir beobachtet, daß die Ruſſen uns gegenüber Truppen zuſammenzogen, aber die dem ruſſiſ<hen Anſturm in dihten LS günſtige Nachtzeit wurde von ihnen niht be=NUBL. : : : Am 13. Juni zeigte ihre Artillerie eine gegen die leßten

- Wochen ſtark abweichende lebhafte Tätigkeit, und zweimal

vexſuhte gegen Mittag die ruſſiſhe Jnfanterie in verzweifeltem Sturm, die ihr entriſſenen Stellungen zurü>= zugewinnen. Während der erſte Angriff der Ruſſen {hon in den Anfängen in unſerem Feuer zuſammenbrach, gelang ès ihnen beim zweiten Male, begünſtigt dur<h eine ihnen

_De>ung bietende kleine Bergkuppe, mit Teilen bis in unſere

Gräben hineinzukommen. Dies bedeutete jedo<h ihre Ver= nihtung, denn unſere Braven ſhlugen . nah der alt= bekannten Art der Shwabenſtreihe nieder, was ſeine Rettung nicht in der Flucht ſuhte. Maſſenhaft lagen die Feinde tot in der Stellung. Wohl als Antwort darauf erfolgte am Nachmittag dur< eine überaus ſtarke feind=lie Artillerie, dîe die Ruſſen jeßt eilig zuſammengezogen hatten, eine Beſchießung unſerer Stellung mit ſolcher

| Heſtigfeit, wie wix ſie im ganzen Krieg nur ſelten geſehen

hatten. Aber zu einem weiteren Angriff raffte ſi<h ihre Infanterie niht mehr auf. Die ruſſiſhen Stellungen blieben feſt in unſerer Hand.

Hunderte toter Ruſſen de>ten das Feld, gegen 300 hatten wir gefangengenommen, 3 Minenwerſer, 4 Maſchinen= gewehre, 400 Gewehre, Tauſende von Patronen, Hand=granaten und ſonſtiges Kriegsmaterial erbeutet.

Auch wir hatten Verluſte. Aber im Verhältnis zum erreih= ten Ziel, im Verhältnis zu den Verluſten des Feindes waren ſie gering. Und ſie werden einen Ehrenplaß haben in der Geſchichte des Regiments, die in treueſler Pflichterfüllung fürs Vaterland den Heldentod fanden beim Sturm auf die Schanzen von Patolenka.

Moderne Kampfmitéel im StellungsÉrieg. (Hierzu die Bilder “ Seite 90—95.)

Der Stellungs=krieg im heutigen Völkerringen hat teils alte Kampfmittel in neuzel=tiger Form wie=der aufleben laſſen, teils wurden auc neue Waffen für den Nahtampf exſonnen.

Das Schleudern einer franzöſiſchen Arxrmbandbombe. Durch das am Handgelenk befeſtigte lederne Armband wird der Zünder aus der Bombe herausgeriſſen, worauf nah einigen Selunden die Exploſion er olgt-