Illustrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.

Die Geſchichte de

IBeltkrieges 1914/15.

“_(Fortſeßung.)

Die mahtvolle Angriffsbewegung gegen die Ruſſen, die mit dem beiſpielloſen Frontdurhbru<h der Shlaht von Gorlice—Tarnow eingeleitet wurde, verfolgten wir bis ZU der glänzenden Wiedereroberung von Przemysl dur die Armee Mackenſen (ſiehe Seite 11). Damit war die Hauptfeſtung Galiziens wiedergewonnen und ſo niht nux ein hervorragender Waffenerfolg erzielt, ſondern au eine Leiſtung vollbracht, die auf alle neutralen Länder, beſonders aber auf — die Balkanſtaaten einen ſehr nahhaltigen moraliſhen Ein=dru> machen mußte. Jmmex noh aber konnten die Ruſſen darin na< Kräften von der bundesgenöſſiſhen Preſſe unter= ſtützt — geltend zu machen verſuchen, daß ihnen mit der gewaltigen Feſtung eine Laſt abgenommen ſei und ſie nunmehr um ſo vollkommener den Beſig der Hauptſtadt Galiziens, Lembergs, ſihern könnten. Die ſiegreihen Heere der verbündeten Zentralmächte dagegen faßten mit ungeſ<hwächter Tatkraft die Lage ſo auf, daß die Erſtürmung der | Feſtung ihnen den Weg nah Lemberg erſhloſſen habe, und beeilten ſi<h mit eiſerner Uner-= müdlihfeit, das Ziel dieſes Weges in ihre Hand zu bringen.

Die Armee Matenſen ſtand in dieſem Augenbli> in einem na< Oſten vorſpringenden Bogen von der Lubaczowkamündung (re<ter Nebenfluß des San) bis zu dem nah heißem Gefeht er=rungenen Brücenkopf von Czerniawa (ôſtlih Przemysl an der Wiſznia). Weiter ſüdli<h davon ſ<loſſen ſih Teile der Armee Puhallo und in Verbindung mit ihr das Beskidenkorps v. der Mar= wiß an. Von Sambor nordöſtlich bis zum Dnijeſtrknie hielt das Gros dex Armee des Generals der Kavallerie v. Böhm-Ermolli. Die rehts von ihm kämpfende Armee Linſingen konnte nah der glüdlihen Eroberung von Stryj mit ſtarken Teilen gegen Oſten aufſ<hwenken. Im An\<luß an dieſe Armee erkämpften ſih Teile der Heeresgruppen Szurmay und Hoſmann bei Zurawno den Übergang über den Dnjeſtr und rü>ten mit ihren ſüdöſtlihen Teilen über Kaluſz gegen Stanislau vor. Die Beſeßzung der Stadt gelang ihnen ant 8 UE ;

In harter Arbeit ſtütten die Heeresförper der Armee v. der Marwitz und ihre öſtlihen An\<lußgruppen den großen Durchbru< der Mitte gegen erbitterte feindlihe Angriffe in der öſtlihen Flanke. Jm Weſten ſtüßte ihn die bis in den Naum zwiſchen Lezajsf und Tarnobrzeg (alſo zwiſchen San und Weichſel) vorgerüdte Armee des Erzherzogs Joſeph Ferdinand, mit der Aufgabe, von Sandomir her erwartete Feindliche Angriffe zu vereiteln. Dieſe Armee brachte am 14. Juni den als Stüßpunkt wichtigen Meierhof Piskorowice gegenüber Lezajsf in ihren Beſitz. Die Armee Matenſen drang über Oleſzye über die ruſſiſhen Stellungen nordweſtli< von Agworow hinaus und beſezte am 11. Juni dieſen Ort, ferner Cewkow und Lubaczow. An dem Fortſchritt gegen den Feind nahmen auch v. der Marwitz und v. Böhm -Ermolli teil. Nah Überwältigung der ſtarken ruſſiſchen Stellungen im Raume von Moſzika gelangten ſie am 15. Juni în die Linie Rudki—Sadowa—Wiſznia

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Öſterreichiſ<h-ungariſches 30,5-em-Geſhüß der Sktodawerkte.

und waren damit nur einen Tagemaxrſh von der ruſſiſhen Hauptverteidigungslinie, der Grodefſtellung, an der die Ruſſen die deutſ<h-öſterreihiſ<h-ungariſhe Angriffsbewegung endaültig zu brechen hofften, entfernt. Zum Schuße Lembergs gingen die Ruſſen in dieſen Tagen mit friſ<hen Kräften aus dem Raume Rohatyn—Mikolajow gegen den öſtlihen Flügel der verbündeten Armeen auh ſelbſt zuni Angriff über. Am 10. Juni gewannen ſie in übermähtigem Anſturm * ſogar Zurawno zurü>, mußten es aber ſhon am folgenden Tage wieder herausgeben. Auch im Raume MikolajowZydaczow drängten ſie vor. Das hinderte aber niht den Fortgang der deutſh-öſterreihiſ<h-ungariſhen Vorwärts= bewegung gegen die ſtark befeſtigten Stellungen der Ruſſen an der Wiſznia und nordweſtli<h davon. Mit äußerſter Zähigkeit verſuchte ſih der Feind in dem ſ<wierigen Gelände zu halten, mußte aber einem dur< reihlihe Anwendung ſ\<hwerexr Artillerie kräfz tig vorbereiteten Angriff am 13. Juli weihen. Als Öſterreicher und Ungarn dur die Waldzone öſtlih der Wiſznia vordrangen, preußiſhe Garderegimenter die Ortſchaften um Mlyny ſtürmten und dex Feind [<ließli< au< aus Tuchla vertrieben war, kamen préèußiſhe Gardetruppen im \<härſſten Verfolgungskampfe bis auf die Höhen weſtli<h von Wielfie Oczy. Das Ergebnis dieſes heißen Kampſtages war ein Raumgewinn von 3—20 Kilometer auf einer Frontbreite von über 50 Kilometer. Die Ruſſen waren aber wieder in gut vor=bereitete und wohlausgebaute Stellungen zurü>gewichen, in denen ſie am nächſten Tage das Vordringen unſerer ſiegreichen Truppen dur Einſaß von 19 Di= viſionen aufzuhalten ſuchten. Alle ihre Anſtrengungen wurden an dex Entſchloſſenheit der Führung und der Ausdauer der tapferen verbündeten Heere zunihte. In der Nacht vom 14. zum 15. Juni traten die Ruſſen den Rüzug an und ſetzten ihn ohne beſon=deren Aufenthalt auh in der nächſten Naht fort, unter ſtän= diger Verfolgung durch die raſt= lofen Truppen der Verbündeten. Der Feind ſtrebte in öſtliher und nordöſtliher Richtung * davon. Ohne Zweifel wollte ex ſih jeßt in ſeiner ſtärkſten Stellung an der Wereszyca, der ſogenann=ten Grodefſtellung, feſtſegen. Die Wereszyca entſpringt in dem Berggelände von Magierow und fließt in ſ<hwac<h ſüdöſtlihem Laufe dem Dnjeſtr zu. Sie iſt ein unbedeutendes Flüß<hen, bildet aber durch ihr ſehr breites : Tal und no< mehr dur< zahlreihe Seen, darunter zehn von größerer Ausdehnung, einen zur Verteidigung ganz hervorragend geeigneten Abſ<hnitt, der von den Ruſſen na< jeder Richtung hin mit

_vorzügliher Kunſt dafür hergerihtet worden war. Be-

ſonders in der béi-Janow ſi<h nordwärts an die Wereszyca anſchließenden -eigentlihen Grodefkſtellung, die in einer Länge von über 70 Kilometer bis in die Gegend von Narol—Miaſto reiht, hatten ſie ein Muſterbeiſpiel neus zeitliher Feldbefeſtigungskfunſt geliefert. Viele tauſend Arbeiter hatten hier monatelang unter der Leitung kriegserfahrener Ingenieure geſchafft. Durh Ausholzungen und

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