Illustrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.

und Granaten. Doh als re<ter Feldſoldat behielt er ſeine volle Ruhe. Und obgleih ihm zuſchauende Artilleriſten die Lage für ſehr beängſtigend hielten und der feſten Uberzeugung waren, Daß Der Kaiſer nunmehr mit ſeinem Stabe den gefährlihen Plaß verlaſſen werde, unterbra< er ſih niht in der Unterhaltung mit den Generalen; der Verlauf der Slat feſſelte ihn ſo vollſtändig, daß er ſi beim Heranfegen und Auſſchlagen feindliher Geſchoſſe niht einmal umwandte. Mit Ruhe und Kaltblütigkeit teilte € en ſeiner Soldaten die allgemeine Gefahr. Auch

er : in den folgenden Tagen ſah man ihn dort, wo Entſcheidungen fielen und es am härteſten herging. Er tonnte einer der Î ten Waſffentaten des ganzen Krieges beiwohnen. Die

ſtürmende Jnfanterie- enttäuſchte die Erwartungen ihrer Führer nicht, der Feind befand ſi< na< wenigen Stunden auf dem vollen Rüczuge na< Oſten, die verfolgenden Heere ſtanden ſhon am Abend unter den Befeſtigungen Lembergs. : e : _ Gleichzeitig rüd>te die Mitte der Armee Böhm-Ermolli an die Weſtfront Lembergs heran. Sie kämpfte gegen einen Gegnex, der ſi in ſüdliher Anlehnung an Lemberg

Jlluſtrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.

103 bündeten Zentralmähte no<h lange niht erſ<höpft war dur die harte Verteïdigungs- und Vorwärtsarbeit in den Kaxpathen; im Gegenteil, ſie hatte ſih von ſo ungebrochener Friſhe und ſo unwiderſtehliher Gewalt gezeigt, daß es den Ruſſen niht gelungen war, ihre koſtbarſte Erwerbung, ihren einzigen Troſt, nahdem die Eroberung Konſtantinopels mindeſtens im ſehx weite Ferne gerü>t ſchien, Lemberg, troß der Aufbietung aller Kraft, der Aufopferung Hunderttauſender gegen den wuhtigen Anſtoß der Heere der Ver-

bündeten zu halten. Der Fall Lembergs, der raſh wie ein Wunder, faſt unmittelbar nah dem Befehl dazu, ſih

vollzogen hatte, bewies beſonders den ſ<hwankenden Balz

fanſtaaten mit einem Male flar, daß dem an Menſchen und Material unerſ<höpfli<h ſ<heinenden Rußland, deſſen Unbeſiegbarkeit von den ihm befreundeten Balkanpolitikern als unbedingt wie ein - Naturgeſeß feſtſtehend hingeſtellt wurde, in den Zentralmächten ein Gegner erſtanden war, dex ihm niht nur die Stirn zu bieten wagte, ſondern es in immer wiederholtem Ringen überlegen zu werfen vermochte. Der Fall Lembergs ſchaſ\fte ſo beſonders der griehiſhen Regierung mit ihrer erſt bedenllih nah dem Vier-

hinter dem Szczerzet- und Stawczankabah feſtgeſeßt und Zu heſtigem Widerſtande eingerichtet hatte. Des 21. Juni gelang der Durhbru<h au dieſes Punktes der ruſſiſhen Front und ein Vorſtoß auf Lemberg. Am gleihen Tage ſtürmten deutſhe Truppen der Armee v. der Marwitz die von den Ruſſen zähe gehaltenen AnfGlußſtellungen und machten damit den k. u. kf. Kräften den Weg an die Nordweſtfront von Lemberg frei. Dieſe

nahmen ſhon am nächſten Tage, dem 22. Juni, die Befeſti— gungen vor ihrem Abſchnitt. Um fünf Uhr morgens fiel Das Werk Rzesna, bald darauf Sfknilow, und um elf Uhr eroberte Das É. u. f. Jnfanterieregiment Nr. 34 Wilhelm I. Deutſcher Kaiſer und König von Preußen das Werk LyſaGora. Am Mittag ſhon waren die erſten Truppen der

verbündeten Armeen in der nahezu zehn Monate ruſſiſh ge-

weſenen Hauptſtadt Galiziens, um vier Uhr nahmittags zog der ſiegreiche Heerführer in die wenig beſchädigte. Stadt ein. Nicht endenwollender Jubel empfing die heldenhaften Kämpfer (vgl. unſeren Sonderbericht Seite 70).

Der Fall Lembergs löſte niht nur in Deutſchland, OÖſterreih-Ungarn und der Türkei helle, begeiſterte Freude aus, ſondern mate in dex ganzen Welt, bei unſeren Feinden und au< _bei den Neutralen, den tiefſten Eindru>. Greifbar deutli<h war bewieſen, daß die Angriffskraft der ver-

Gefangene Nuſſen mit Nraſchinengewehren aus den Kämpfen um Lemberg.

Am Abend

Phot. N. Seunece, Berlin,

verband neigenden, dann aber peinlih neutralen Politik Luft, ſtärkte den bulgariſ<hen Miniſterpräſidenten in ſeiner den Zentralmähten ſ<hwah geneigten Neutralitätspolitikund ſtellte die rumäniſhe Regierung, die nur auf den rihtigen Augenbli> zum Sprung gegen die Zentralmächte gelauert hatte, in peinliher Weiſe bloß. Unſere Feinde empfanden die Wiedereroberung Lembergs als einen Schlag ins Geſicht, ſie ſahen ihre leßten Hoffnungen zerſplittert, Rußland ins Wanken gebraht. Dieſem war das Knie auf die Bruſt geſeßt, iroß all der Ströme roten und’ goldenen Blutes, die von ihm eingeſeßt worden waren. Der Schlag traf und kam ſo unerwartet, daß ſelbſt die auf krummen Wegen ſo erfahrene Preſſe unſerer Feinde ſih zunächſt niht zu helfen wußte, dann aber auf einen Ausweg verſiel, der ſo töôriht war, daß er das Gegenteil der beabſihtigten Wirkung erreihen mußte. Nahdem man ſi< wochenlang etwas darauf zugute getan hatte, daß die Ruſſen ſi<h Lemberg dank der furhtbar feſten Grodefkſtellung niht entreißen laſſen würden, daß Matenſens Armee ſo erſchöpft ſei, daß an ihr weiteres Vordringen niht gedaht werden könne, hieß es nun auf einmal, daß der Fall Lembergs keine Überraſhung ſei, vielmehr handle es ſi< nur um ein ruſſiſches Manöver, das die ungünſtige Stellung der Ruſſen zu threm Vorteil zu ändern ſuche. Die Lage der Deutſchen werde