Illustrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.

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Arbeit war, kann man nathfühlen, wenn man bedenkt, daß die Tapferen jederzeit gewärtig ſein mußten, einen Querſchläger, eine Granate, eine Handgranate in die deutlih ſihtbaren Sappenſpißen zu erhalten oder bei etwaiger Unterminierung in die Luft zu fliegen! Doch die ſhwerſten Sekunden ſtanden ihnen no< bevor! Mit ohrenbetäubendem Krachen ſ<hlugen die Geſchoſſe der deutſ<hen Minenwexrfer wenige Meter vox den eigenen Mannſchaſten ein.

Steinſplitter, Erdklumpen und Geröll kamen bis auf die

Sohle des Grabens geflogen. Kein Wunder, daß die Leute fih bisweilen flopfenden Herzens und [<weißtriefend . an die Böſchungen preßten. Jhre Zeit zum Sterben war no< niht gefommen, und gerade dieſe lebensgefährlihe Beſchießung ſollte ihnen das Leben retten. Kaum war nämlih wieder eine ſ<hwere Mine drüben geplaßt und hüllte alles no< in dihten, dunflen Rauch, als ſie auf\hnellten, no< einige Handgranaten im Laufen blißſ<hnell

in den Gegengraben warfen, dur< eine erfundete Lücke

- Jlluſtrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.

tamen die Kameraden dahergerannt. Ein prachtooller Anbli> für ein re<htes Soldatenherz! Die Werke Central und Cimetière werden im Augenbli> bis über die hinteren Gräben hinaus überrannt. Ebenſo der Shwarze und Rote Graben des Bagatellewerkes und der Eſelsnaſe. Erſt der Grüne Graben verurſachte eine Sto>ung, da feindlihe Maſhinengewehre die Reihen der Deutſchen vom Sankt-HubertRütten aus in der Flanke ſtark lihteten und beim Sturm des Königs-Infanterieregiments Nr. 145 über den Charmeba< mancher Kamerad nie mehr aufſtand, wenn ihn das tüdiſhe Geſhoß zu Boden geworfen hatte. Beſonders das Storchenneſt, die Rheinbabenhöhe und Sankt-Hubert waren re<t widerſtandsfähige Franzoſenneſter. Jmmer

wieder tamen von dort Gegenſtöße. Man mußte ſi<h damit begnügen, ſie. abzuwehren und in der inzwiſhen hereinbrehenden Nacht die Stellungen genau zu erkunden, die die Franzoſen mit fieberhaftex Eile trot ihrer zerriſſenen, durcheinandergewürfelten Truppenverbände verſtärkten.

Phot. Berl. JUuſtrat.=Geſ. m. b. H,

Der S<{loßplaß von Warſchau mit dem alten polniſchen Reſidenzſchlofß, das nach Beſeßung der Stadt durch die Deutſchen ſeitens der Ruſſen

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im Drahtverhau dur<ſhlüpften und in den feindlihen Graben hinunterſprangen. Die Beſaßung war von dem Beſu ſo überraſcht, daß ſie ſhleunigſt Reißaus nahm. Vielleiht mochten ſie auh leiht verwundet worden ſein und deshalb wenig Luſt zum Weiterkämpfen haben, denn am Boden lagen mehrere Tote oder wimmernde Shwerverleßte. Man hatte anfangs keine Zeit, ſi< um die VerTeßten zu fümmern, denn ſpaniſhe Reiter und ähnliche Drahtwalzen lagen im Graben. Sie wurden hinausgeworfen, um den Weg freizumachen. Es war höchſte Zeit, denn ſhon nahten ſi<h franzöſiſhe Verſtärkungen, die entſet hinter die Shulterwehren zurü>prallten, als ſie die Deutſchen ſhon im Graben ſahen. Jnzwiſchen erhob ſi<h draußen an der ganzen Front ein wlütendes Kleingewehrfeuer. Es war aht Uhr fünfundvierzig Minuten vormittags, die Zeit des allgemeinen Sturmes. Das Artilleriefeuer \<woll no< einmal raſh an, dann tönten die Aufſhläge aus weiterer Ferne herüber — das Feuer war auf die rüd= wärtigen Stellungen verlegt worden. Mit umgehängtem Gewehr, Handgranaten, Rauhmasken und Schußſchilden

von Praga aus beſonders heftig beſchoſſen ivurde.

„Man muß den neuen, leßten Angriff um einen Tag verſchieben, die Oſtwerke ſind no< niht ganz ſturmreif“, lautete der Entſhluß des deutſhen Führers. Während die Artillerie ſi< ihrer neuen Auſgabe widmete, wurden die Leichen geborgen, Waſſer und Lebensmittel herangeführt, Sturmmaterial herbeigeſhaf}ſt. i

Am 2. Juli begann das wilde Ringen von neuem. Für die Deutſchen war es ein. neues Atemholen, für die Gegner ein leßtes Auffla>ern. Artillerie und Minenwerfer arbeiteten wieder unermüdli<h. Erſt um fünf Uhr nahmittags begann dex Sturm auf die Rheinbabenhöhe. Um ſieben Uhr dreißig Minuten iſt kein Franzoſe mehr auf dem Sankt-Hubert-Rü>ken. Auch aus dem Grünen Graben wur= den die Franzoſen geworfen, obwohl ſich ihre 42. Diviſion anerkennenswert tapfer und zäh behauptete. Taktik ſiegte hier über die Gewalt. Eine aus württembergiſ<hen KönigKarl-Grenadieren Nr. 123 beſtehende Kampfgruppe durhbra<h nämli< um. fünf Uhr dreißig Minuten nahmit-

tags die feindlihe Stellung (ſiehe die Kunſtbeilage) in

Richtung auf das Wegekreuz nördlich von La Harazée