Illustrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.

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16 i Illuſtrierte. Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.

lih no< weniger Ausſiht auf den geplanten Erfolg. So

iſt der darauf folgende Kampfabſchnitt zuſammengeſeßt aus

lauter fleineren ſelbſtändigen Unternehmungen, die teilweiſe ſehr heftig und tapfer durhgeführt wurden. Ein Hinundherwogen der Kämpfe öſllih Béthune und [üdlih der Lorettohöhe, ſowie zwiſchen Ablain und Souchez war die Folge. Beſonderes Intereſſe fordern nur die leßtgenannten Kämpfe, die deshalb im nächſten Hefte (Seite 26 u: 20) eingehender gewürdigt werden ſollen, als es bei dieſem Überbli> mögli iſt. :

Wie unbedeutend alle dieſe Dur<hbruchsanſtrengungen im Gegenſaß zu dem gewaltigen Auſwand waren, erhellt am- beſten daraus, daß wir niht nur feine Truppen von der Oſtfront zurüc{zurufen brauchten, ſondern niht einmal unſeren kleinen Ypernvorſtoß, Der do nur wenig mehr als

90 Kilometer weiter nördlich ſtattfand, unterbrechen mußten.

Vom 22. April bis zum 4. Mai hatten wir die dortige Frontbreite dur Zuſchnüren dèr feindlihen Stellung von 95 Kilometer auf 13 Kilometer und den Tiefenraum von 9 Kilometer auf 5 Kilometer zuſammenſ<hrumpfen laſſen. Am 6. Mai war Ferme Vanheule und die Bahn MeſſinesYpern in unſerem Beſiß, dazu 100 Engländer gefangen und 15 Maſchinengewehre nebſt Minenwerfern und einer größeren Menge Gewehrmunition erbeutet. Zwei Tage darauf wurden die engliſchen Stellungen ar Straße FortuinWieltje und Gheluveld— Ypern geworfen. Frezenberg Und Verlorenhoek waren mit den dort beſindlihen Höhenſtelz

lungen in unſerem Beſiz. 800 Engländer, darunter 16 Ofſi=

ziere, ergaben ſih. Dagegen zogen wix die Truppen jenſeits des Kanals von Steenſtrate und Het Sas wieder auf das Oſtufer zurü>, ‘wegen der ſtarken Wirkung der ſchweren feindlihen Artillerie. Die taktiſhe Bedeutung entſprah niht den zu erwartenden Verluſten.

Wenn wir auh unſere rein örtlihen Erfolge bei Ypern

nicht überſhäßen wollen, genau ſo wenig wie die fxanzöſiſh-

engliſhen gegen Sailly—Arras, ſo können. wir doh als Endergebnis der Maikämpfe an der Weſtfront die Erfüllung

_ unſerer Aufgabe feſtſtellen: ohne neue Truppen die alte

Front in ihrer Geſchloſſenheit und in ihrem Zuſammen=hang zu erhalten, wozu no< brauchbare Teilerfolge bei Ypern (ſiehe Bild Seite 13) ohne weſentlihe Verluſte fommen. Der feindlihe große Durchbruchsverſu<h muß jedoch, wie faſt alle bisherigen, als völlig geſcheitert, die

“ fleinen örtlihen Erfolge dur<h die großen Truppen- UnD

Materialopfer als viel zu teuer erkauft angeſehen werden. Wie prophetiſ<h der Befehl des Generals Petain in dieſer Beziehung doh war! „Nichts iſt erreiht, wenn der Feind niht endgültig geſchlagen wird.“

Die Nacht im modernen Feldkriege. Von Vaul Otto Ebe. (Hierzu das Bild Seite 17.)

„Meine Herren, dex Tag hat vierundzwanzig Stunden, und wenn das niht reiht, ſo nehmen Sie die Nacht dazu,“ ſoll ſi ein hoher Militär einmdl geäußert haben. Dieſes geflügelte Wort kennzeihnet unſeren Dienſtbetrieb in den letzten Friedensjahren und im jeßigen Kriege.

Schon vor Sonnenaufgang, mit der Morgendämmerung, beginnt das Tagewerk unſerer Feldgrauen in vordexſter Linie, um erſt mit Sonnenuntergang, wenn das Büchſenliht allmähliG nachläßt, auszuſeßen. Selbſt wenn man die vielen nähtlihen Kommandos wie Poſten, Feldwachen, Patrouillen“ niht dazu zählt, da es immer nur einzelne Leute ſind, haben wix hauptſählih zu Beginn des Feldzugs, im Bewegungskrieg, wo die Front dichter war als im Stellungsfrieg mit ſeinen ſtärkenden De>œungen Und DELT entſprehend ſ<wächeren, jedoch öſter abgelöſten Abſchnitts= beſaßung, manche Naht niht geſchlafen. Unſere nächt=lihen Aufgaben beſtanden entweder in der Herſtellung von Geländeverſtärkungen, die bis zum Morgen wegen des zu erwartenden überlegenen Jnfanterie- oder Artilleriefeuers fertiggeſtellt ſein mußten, in Nachtmärſchen odex in Nahtgefehten. Lettere Beſchäftigung war weitaus die intereſſanteſte,

demn wenn man au< mit Recht ſagen kann, daß unſere

neuzeitlichen Shlahten dur die Leere des Shlahtfelds

an Romantik gegen früher immer mehx verlieren — es |

ſei denn bei groß angelegten Atta>en — ſo trifft das bei den Nahtgefehten durhaus niht zu.

Ein Nachtgefe Gt ſtellt ſowohl beim Angreifer wie beim Verteidiger die höchſten Anforderungen an die Sinne. Augen und Dhren werden ‘ſtundenlang bis zur äußerſten Leiſtungsfähigkeit angeſpannt. Das Abheben von dunfïlen Silhouetten gegen den etwas helleren Nachthimmel, ſowie die gute Shallübertragung des Erdbodens werden beider=ſeits möglichſt ausgenußt. Die Stille der Naht wird berüdſihtigt dur< ängſtlihes Vermeiden jedes verräteriſ<hen Geräuſches, wie Klappern von Schanzzeug und Seiten-=gewehr, Knirſchen ſteiniger Wege beim Überſchreiten, Poltern und Fluchen beim halsbreheriſ<hen Sturz in Granat=lôher oder Gräben. Daß dieſen Anforderungen nur ſehr gut geſchulte Soldaten gewachſen ſind, iſt einleuhtend. Doch au an die Führer ſtellt ein Nahtgeſe<ht große Anſprüche. Meldungen treffen niht re<htzeitig ein, da der Stab in der Dunkelheit niht gefunden wird. Häufig ſind ſie übertrieben, oft ſogar falſ<. Wie manes Mal haben wir ſhon im Manöver, wo die Phantaſie der Mannſchaft lange niht ſo erregt war, wie wenn es ſih jede Sekunde um Tod oder Leben handelt, ſ<hon anſtatt gegneriſcher Schüßenlinien — Heuhaufen geſtürmt! Sind jedo< Mel= dungen eingetroffen, ſo gilt es, ſofort zu handeln. Lange Zeit zum Disponieren gibt es niht. Man iſt zumeiſt [{<on viel zu nahe aneinander, wenn beiſpielsweiſe ein Gegenſtoß aus der feindlihen Feldſtellung einſeßt. Auch der höhere Führer verwendet ſein Können bei der Anlage des Unter= nehmens, beim Jneinandexrgrèêifen der Waſfen, wie Artil= Terteunterſtüßung, Zuteilen des Brüdentrains, Komman=dierung von Pionieren mit Handgranaten, ſowie bei Ausnußung der Beleuhtumgsmittel. e

Gehen wir jeßt etwas näher auf den Angriff ein. - Die Infanterie geht ohne Feuergefe<t mit aufgepflanziem Seitengewehr mögli<hſt überraſhend gegen den - Gegner vor. Zu Beginn des Feldzuges bevorzugte man no< der moraliſhen Wirkung und des beſſeren Zuſammenhaltens halber dihte Schügßenlinien mit faſt aufgeſ<hloſſenen KoTonnen dahinter. So beim abgewieſenen franzöſiſchen Nachtangriff am 7. September 1914 zehn Uhx abends bei Sommaisne, oder beim deutſhen Angriff am 5. September 1914 zwölf Uhr naŸts auf Clairemont, das jedo< furz vorher vom Gegner no< freiwillig geräumt wurde. Neuerdings ſcheint man indeſſen wegen des großen be=ſtrihenen Raumes mehrere Schüßenlinien hintereinander angreifen zu laſſen mit dem erſten, zweiten oder dritten feindlihen Graben als Endziel. Oft verſu<ht man au< den Gegner zu täuſchen, indem man mit {wachen Kräften an einer Stelle lebhaft feuert und an anderer Stelle die Haupt=fräfte etwas ſpäter, damit feindliche Reſerven möglihſt ſhon verwendet worden ſind, lautlos zum Angriff vorgehen läßt.

Zum Gelingen eines Nachtangriffs tragen folgende Maßnahmen bei: Eine ſorgfältige Nahaufklärung dur Offizierspatrouillen, die [ih mit einem langen weißen Band vorſhleichen, um damit entweder die leßte Feuerſtellung zu kennzeihnen, in der man ſich dann eingräbt und von wo aus man beim Büchſenliht des ÉFommenden Tages die leßte Feuerüberlegenheit zum leßten Sprung erfämpft, oder um damit die Marſchrichtung ſenkre<t zur feindlihen Front ſowie eine Trennungslinie der Kompanien, Bataillone und Regimenter zu legen. Dadurch wird einem Verlaufen oder dem verwirrenden Jneinander=ſchieben der Verbände vorgebeugt. Der damit betraute Leutnant muß über Umſicht und Wagemut verfügen, ſoll er die vielen Schwierigkeiten überwinden. Mühſame Orientierung nah Sternbildern — falls kein Leuchtkompaß vorhanden iſt — Störungen dur< feindliche Patrouillen ſowie das mühevolle Einde>en der Soldaten, die das lange Band tro Dunkelheit, troß Geländeunebenheiten gerade legen müſſen, erſhweren ihm ſeine verantwortungsvolle Aufgabe. Da das Band ferner meiſt zu kurz iſt, muß es durh „lebende Wegweiſer“ ergänzt werden. Das ſind Leute der Patrouille, die ſih in gewiſſem Abſtand voneinander in Richtung des Bandes eingede>t haben und ſich bei feindlihem Feuer hinter gefüllten Sandſäden deen.

Sind dieſe Vorbereitungen getroffen, ſo treten die Schüßenlinien an. Das Maxrſchtempo iſt mögli<hſt langſam, man hält öfters, um Front und Ordnung neu herzuſtellen, Verbindungsleute gewährleiſten den Zuſammenhang. Gegen den Feind abgeblendete Lichter, weiße Armbinden, weiße Tücher am Torniſter dienen zum Erkennen untereinander. Blitzen Scheinwerfer oder Leuchtkugeln auf, o verharrt