Illustrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.

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Illuſtrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.

ſprochen, die da beſagte: „Preußiſhe Kavallerie ſoll ſi niemals attadieren laſſen, ſondern allemal den Feind zuerſt atta>ieren.“ Der Stellungskrieg unterband die Tätigkeit der Kavallerie zu Pferde. Ein Teil dexſelben beruhte auf der Beunruhigung und Störung dex feindlihen Verbin=dungslinien, alſo auf einem Auſtreten im Rücken des Feindes. In Frankreich exſtre>te ſi< aber bald die feindlihe Front vom Meer bis zur ſ<hweizeriſ<hen Grenze wie eine eherne Mauer. Die war weder zu dur<hbrehen, no< war um die Flügel herumzukommen. Selbſt einzelne deutſ<he Pas trouillen, die ſih hatten abdrängen laſſen, kamen dur< dieſe Mauer niht zurü> (die bekannt gewordene Patrouille der Leutnante v. Schierſtädt und Grafen Strahwiß). So mußte denn die Kavallerie überall da, wo der Stellungs=-

krieg eintrat, gum Karabiner greifen, um im Fußgefe<ht

Schulter an Schulter mit der eigenen Jnfanterie ihre Gefechtsfraft nußbar zu machen. Dieſer ungewohnten Auſgabe ſind unſexe Reiterregimenter in geradezu Vvor=bildlicher Weiſe gere<ht geworden. Viele Monate haben ſie in den Schüßengräben geſtanden, ihre treuen KampfE die Pferde, kilometerweit zurü>. Dann haben ie Heerführer plößli<h ihre Beweglichkeit ausgenüßt und ſhnell an einer Lüd>e ihrer Front die zweitauſend Karabinex, die eine Kavalleriediviſion ins Feuer bringen fann, eingeſeßt. Jn dieſer Beweglichkeit liegt ein beſonders wirkſamer Vorzug der Kavallerie. So iſt es geweſen von Tannenberg an bis Riga und Dünaburg. Die abgeſeſſene

Kavallerie hat au< den Anſturm zu Fuß mit dem Karabinex niht geſcheut, obgleih dieſem no< immer das Bajonett

fehlt. Erinnert ſei an den Angriff eines ungariſchen Huſarenregiments, das in den Karpathenkämpfen den Gegner mit dem Kolben zuſammenhieb. Oft haben Ka=valleriediviſionen die Flanke unſerer Armee gegen feindliche Angriffe zu de>en gehabt — tagelang, wochenlang. Dieſe

De>ung ließ ſih niht anders durchhalten als dur< Selbſt-

aufopferung. Die Geſchihte des Kriegs wird dereinſt nahweiſen, daß dieſe Selbſtaufopferung zuweilen bis zur Vernichtung ging. Wenn daher aus dex Minderbetätigung der Kavallerie zu Pferde die Folgerung gezogen werden ſollte, daß dieſe Waffengattung als niht mehr zeitgemäß vermindert odex gar abgeſchafft werden müßte, ]o kennen die Vertreter dieſer Anſicht die ungeheuren Leiſtungen Der Kavallerie nicht, die ſie in dieſem Kriege ſhon an den Tag gelegt hat und noh legen wird. Und nun noch eins! Die

Geſchichte lehrt, daß Völker und Armeen ſtets nur die guleßt

gema<hten Erfahrungen beherzigen und danach ihre Shlußfolgerungen ziehen. Es wäre leiht, aus der Militärgeſhihte zu beweiſen, wie ſehr dieſe Einſeitigkeit dur<

ſpätere Entwi>lungen verleugnet worden iſt und ſi<h als .

verhängnisvoll erwieſen hat. Es iſt zu hoffen und anzunehmen, daß Deutſhland und Öſterreih-Ungarn ihre heldenmütigen Kavallerien niht verkleinern werden, bloß weil eine aúf den jeßigen Weltkrieg zugeſhnittene Krieg= führung ihr den Adlerflug nur mit einem Flügel geſtattete. Wenn bei der Kavallerie eine gewiſſe Beſ<hränkung ihrer Verwendung nicht geleugnet werden kann, ſo iſt das Gegen=teil bei den Pionieren und den tehniſ<hen Truppen der Fall. Sie nemen ſich ſelbſt ſcherzhaft: „das Mädchen für alles“. General v. Beſeler, der Bezwinger von Antwerpen und Nowo-Georgiewsk, war lange Generalinſpekteur Der Pioniere und Jngenieure. Er hat es verſtanden, bei aller Berückſichtigung ihrex infanteriſtiſhen Ausbildung ihr te<z niſhes Können ſo zu fördern, daß es, als ſie die Ériegeriſhe Probe abzulegen hatten, allgemeine Bewunderung hervorrief. Die Waffe war bei der Mobilmachung ſhon verdoppelt worden und hat im Lauf des Krieges vielfache Berſtärkungen erfahren. Die eingetretenen Verluſte machten das nötig. Kunſtleiſtungen allererſten Ranges, wie die Herſtellung der geſprengten Tunnel von Lüttich und Wilna, der Brüden bei Jwangorod, Warſchau und Przemysl, der Donauübergang nah Serbien und ſo weiter, gingen Hand in Hand mit taftiſhen Glanzleiſlungen, deren Aufzählung alleîn ein Buch füllen würde. Die Pioniere ſind die treuen Begleiter allex Waffen, ja ihre Vorkämpfer. Das ertennt die Truppe auch an und begrüßt freudig ihre Brüder, die ſie mit Recht als Jünger der Wiſſenſchaft betrachtet. Wenn irgendwo die Überlegenheit der deutſhen Bildung auf militäriſhem Gebiet geſu<t werden müßte, ſo wäre ſie neben dem Generalſtab bei den Pionieren und den te<niſ<hen Truppen zu ſuchen. |

feſt in Soſia getötet.

General Bojadjeff. (Hierzu das Bild Seite 408.) : Der Kommandeur dex exſten bulgariſ<hen Armee, Generalleutnant Kliment Bojadjef\f, iſt, wie Andrei Pro= titſ< in dex „Neuen Freien Preſſe“ ſ{<hreibt, eine dex auf=fallendſten Perſönlichkeiten unter den höheren bulgariſhen-

Offizieren. Schon äußerli<. Hoher Wuchs, breite Schultern, gemäßigte Bewegungen, tieſſ<hwarzer Bart, imponierender

Bli> laſſen den enexrgiſ<hen Willen erkennen, der dieſen Mann auszeihnet. Bojadjef} iſt niht redſelig, im Gegenteil, er gehört zu den ſ\<hweigſamen Heerführern. Er genießt unter ſeinen Soldaten, die \ſhwärmeriſ< zu ihm auſbli>en,

_die größte Beliebtheit.

Er iſt Mazedonier und ſtammt aus Ocrida. Nach der Befreiung Bulgariens hat ex ſeine Heimat vexlaſſen und în Sofia das Gymnaſium und die Militärſchule abſolviert.

Den erſten bulgariſ<h-ſerbiſhen Krieg im Jahre 1885 hat

Bojadjeff als Leutnant mitgemaht. Bald darauf wurde er na< Turin an die dortige Genexralſtabsakademie kommandiert. Bojadjeff iſt einer dex erſten bulgariſ<hen ODffi=ziere, dex ſeine friegsafademiſ<he Ausbildung niht in Rußland, ſondern in Jtalien erhalten hat. Nach ſeiner Rü>ehr aus Turin hat Bojadjef} Truppendienſt bis zum Ende. des Krieges gegen die Türkei und dem darauffolgenden zweiten Balkankrieg getan. Er blieb ſern von Soſia und machte in dex bulgariſ<hen Proving als Truppenkommandant ſeine Laufbahn. Durch die langjährige Fühlumg mit ſeinen. Sole daten hat Bojadjeff ſi< unter den Bulgaren eine voltstümlihe Stellung zu verſchaffen gewußt. :

Beim Ausbruch des Balkankrieges im Jahre 1912 war Bojadjef} Kommandeur der vierten Preſlawdiviſion in Schumla. Dieſe Diviſion gehörte damals zur dritten Armee, die Kirkkiliſſeh erobert, die dreitägige S<hlacht bei Bunarhiſſar—Lüleh—Burgas gewonnen und die türkiſche Armee bis an die Tſchataldſchaſtellungen zurü>geworfen hat. Die Diviſion Bojadjeffs nahm nah dem Abbruch der Londonex Friedensverhandlungen an den Kämpfen bei der Tſchataldſchalinie teil und erwarb ſi< den Ehrentitel: die „eiſerne Diviſion“. :

Während des zweiten Balkankrieges kämpfte General Bojadjeff gegen die Serben in Mazedonien. Und als der Kommandeur der dritten Armee, General Radïo Dimitriew, Ende Juni 1913 zum Generaliſſimus dex bulgariſchen Armee ernannt worden wax, war Bojadjeff als Nachfolger Dimi=z triews in Ausſicht genommen. Nach der Demobiliſierung im Jahre 1913 wurde General Bojadjef} zum Kriegsminiſter als Nachfolger des Generals Waſow ernannt. Schon nah einem Jahre gab ex dieſen Poſten auf und kehrte als Inſpekteur der dritten Armeeinſpektion in Ruſtſhuf zu ſeinen Soldaten zurü>. Da traf ihn ein [{<hweres Unglü>. Sein Sohn, der Oberleutnant in der königlihen Leibgarde wax, wurde bei dem bekannten Attentat auf einem Karnevals= Tieferſchüttert kehrte Bojadjeff zu ſeiner Familie na<h Sofia zurü>. Er wurde als Generalſtabshef ins Kriegsminiſterium berufen. Unmittelbar vor Beginn des ſerbiſ<h-bulgariſhen Krieges 1915 wurde General Bojadjeff zum Kommandeur der erſten Armee ernannt, die ex, wie ſeinerzeit die vierte Diviſion, wieder zum Siege führte. e

Der geſtörte Feſtſchmaus.

Hunger iſt dex beſte Koh. Zumal, wenn man geſhlagene 48- Stunden în einem vom Regen aufgeweihten Schüßengraben des mit Lehmboden geſegneten Departe= ments Meurthe-et-Moſelle gekauert hat. Doch darauf zu achten, hatten wir kaum Zeit. Der Gegner hatte herausbefommen, daß wir nux anderthalb Kompanien ſtark waren, und unternahm mit ſeinen bedeutend überlegenen Kräſten einen Sturmangriff.

‘Die Entfernung zwiſchen unſeren Shüßenlinien und denen der Turkos mochte ungefähr 500 Meter betragen. Sie war groß genug, unſerem Hauptmann ein grimmiges

Lächeln zu entlo>en. Er hatte bereits ein paarmal Proben

von der Schießkunſt ſeiner oberbayeriſhen Landwehrleute mit angeſehén, und ſo befahl ex jet furz: „Leute, alle Pa{tronen ausgepa>t! Jeder legt ſie neben ſih. Geſchoſſen wird erſt, wenn die Schwarzen auf 100 Meter herangekommen ſind. Aber dann — na, ihr wißt ſhon: jede