Illustrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.

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Illuſtrierte Geſchichte des Weltkrieges 1914/15.

gemälde von Auer.

folgung beteiligt waren. Als wir dann Breſt-Litowsk ge-

nommen hatten und jeßgt wieder zwiſhen Narew und den nördlichen Pripetſümpfen jene große Shwenkung machten,

die die Ruſſen mit ihren Hauptkräften auf den Raum

von Minsf zurü>warf, ergab ſih eine gewiſſe Entblößung der ſüdlihen Pripetſümpfe von Heeresteilen der Verbündeten. Zwar beſaßen wir die Feſtung Kowel, waren

aber mit den vorhandenen Kräften niht ſtark genug, das

breite Heranſ<hwärmen von Koſakenhorden zu hindern, das im Raume zwiſhen den Bahnlinien Kiew—SarnyKowel und Kiew—Rowno—Kowel ſtattfand. Es ſtellte ſich daher die - Notwendigkeit heraus, eine beſondere Armeegruppe mit der Abwehr der ruſſiſhen Vorſtöße zu betrauen.

Dieſe Vorſtöße hatten einen ganz beſonderen politiſhen

Zwe>. Einmal ſollten ſie bei dem Großruſſentum des Zarenreiches die Einbildung feſthalten, daß Rußland der Donaumonarchie gegenüber no< immer ſiegreih ſei, weil es den leßten Teil Galiziens, der von Ukrainern bewohnt iſt, in der Hand hielt. Gerade damals zeigten ſih in Rußland die erſten Anfänge größerer innerer Unruhen, und die Vertreibung der Ruſſen aus Galizien wäre vielleicht verhängnisvoll für die damalige Regierung geworden. Solange man

Oſtgalizien und Weſtwolhynien hatte, konnte man immer

darauf hinweiſen, daß das Vordringen zwiſchen Riga und Pinsfk gehemmt ſei dur<h die Gefährdung unſeres re<ten Flügels. Noch ein anderer politiſcher Zwe> belebte den ruſſiſhen Widerſtand zu ſtarken Gegenſtößen. Man wollte auf die ſhwanktenden Neutralen des Balkans, beſonders auf Rumänien, Eindru> machen und fürchtete Rumäniens Anſhluß an die Mittelmächte im Falle unſeres ſiegreihen Vordringens dur< Wolhynien und Podolien in Richtung auf Kiew und Beſſara=z bien. Mitten in dieſen Erwä= gungen der ruſſiſhen äußeren Politik fand der Wechſel im OberTfommando - ſtatt. Der Zar übernahm ſelbſt die Heeresführung, und das gab erneuten Antrieb zu äußerſten Anſtrengungen, um auf jede Weiſe einen in die Augen ſpringenden Erfolg zu erzielen. _Zwei Stellen waren es nun, die ſi die ruſſiſhe Heeresl[eitung dieſes Kriegſhauplaßes — ſie lag in Händen des Generals Jwanow — beſonders für den Angriff auserſehen hatte. Im Süden handelte es ſi< um das Gebiet des Strypafluſſes, wo die Armee Bothmer die Wacht hielt, und im Norden fam das Styrgebiet in Betracht, das die Nordarmee der Heeresgruppe Linſingen zu ſihern hatte. In beiden Kampfgebieten gab es wieder zwei beſondere Brennpunkte, auf die ſih die Kraft der Ruſſen konzentrierte. An der Strypa war es der Raum von Siemikowce, am Styx dex Raum von Czartorysf (ſiehe die Vogelſhaufarte Seite 474). Die ganze Front, in der die Ruſſen nebenher zahlloſe Teilangriffe verſuhten, wax 250 Kilometer lang. Ein Stellungskrieg, wie er im Weſten ſeit über einem Jahre beſteht, hatte ſih hier nirgends völlig ausgebildet, nur Anfänge dazu waren an der oſtgaliziſhen Front extennbar. Auf den übrigen Stre>en fand ſich immer wieder Gelegenheit zu Flankenſtößen und Überflügelungsfämpfen, ſowohl auf unſerer wie auf feindliher Seite. Jn Oſtgalizien begann der ernſtere Kampf am 28. Auguſt und ſtieg dann bis Mitte September ſtändig bis zu einem hartnädigen und blutigen Ringen empor. Erſt ſeit dem 4. November fonnte man ſagen, daß der Durhbruchsverſu< der Ruſſen mit ihrer: endgültigen Zurücwerfung über den Strypafluß geendet habe. Die Kämpfe um das Styrgebiet haben ihren Höhepunkt etwa um den 6. OF tober bei Czartorysfk gewonnen. Etwas ſpäter als an unſerem re<ten Flügel endigten auh ſie mit dem ruſſiſchen Mißerfolg, indem der Feind, von uns dazu gezwungen, auf ſeinen Durhbruchsverſu<h am Styx verzichten mußte und ſih überall über den Fluß hinübergetrieben ſah. Während der Kämpfe um den nördlichen und ſüdlihen Brennpunkt dex Front waren die Ruſſen überall und immer in zahlenmäßiger Überlegenheit. Wiederholt haben wir das taftiſh verſpürt, mußten einmal bei Czartorysk unſere Front zurü>nehmen, wurden au< im Raume von Rudka überfallen, wobei der Feind Erfolge hatte, und büßten bei Komarow ſogar ſe<s Geſchüße ein. Aber immer wieder verſtand es die Heeresl[eilung des Generals v. Linſingen, rechtzeitig die Verſtärkungen an die rihtige Stelle zu bringen, wo ſie den Ruſſen die Vorteile wieder entreißen konnten. Als es ſi ſhließli<h darum handelte, den breiten Brüen-