Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

Zur Offenſive ſchien er, wegen der heiden türkiſchen Feſtungen, welche die Endpunkte ſeiner Aufſtellung bildeten, keine ſonderlihe Luſt zu haben. So ſ{wa< auch die Beſaßungen dieſer beiden feſten Punkte waren, ſo wagte es Zarko doh nict, ſi< dieſelben im Rü>en zu laſſen. Andererſeits konnte er, inſolange ſeine Schaaren niht auf einen höheren Stand angewachſen waren, au< niht zu einer Cernirung derſelben \<hreiten. Er war demnach einſtweilen auf militäriſche Unthätigkeit angewieſen. Um jedoch ſeine Zeit doh mit etwas Praktiſchem auszufüllen, beſchäftigte ſich Pope Zarko mit Abfaſſung, Erlaſſung und Verſendung von Proclamationen an alle Serben in Bosnien, der Herzegowina und AltSerbien. Selbſtverſtändlich bezwe>ten dieſe Proclamationen nichts Anderes, als die Erhebung in allen dieſen türkiſchen Provinzen, die do< nur einen ſporadiſchen Charakter an ſi< trägt, zu verallgemeinen. Es war in ſelben viel vom heiligen Kampfe, viel von Garantien der natürlichen Rechte und der Freiheit aller Culte die Rede. Aber auh Drohungen ließ Pope Z arko laut werden. Wer ſeinem Appell keine Folge leiſte, werde es mit dem Leben verantworten. Das Ziel ſeiner Action ſei die Freiheit und die Einheit des Serbenthums. Dieſe Proclamationen wurden in ſerbiſchen Dru>ereien angefertigt und dur Emiſſäre na< allen Richtungen vertheilt. Von großer Wirkung war Pope Zark o's diesbezifgliche Thätigkeit niht. Zum mindeſten hatten ſeine Schaaren ſeit längerer Zeit bereits keinen größeren Zuzug als etwa 150—200 Mann erhalten. Eine Unterabtheilung der von ihm befehligten JFnſurgentenmaht wurde von einer aus der Feſtung Novavaroſh ausgefallenen ſtärkeren türkiſchen Truppen-Abtheilung überraſcht und total zer prengt.

Wir geben im Nachfolgenden das Muſter einer der vom Popen Zarko erlaſſenen Proclamationen. „Proclamation

des Commandanten Pope Zarko an die Nation in Bosnien, der Herzegowina und Alt-Sexbien ! Mögen alle Völker erfahren, mögen alle Menſchen wiſſen, daß auh die ſerbiſche Nation geſchaffen wurde, um in Freiheit zu leben! Brüder! ' Lange her iſt es ſeit Koſſowo. Seit damals erduldet die Nation die Ungerechtigkeiten, die Plünderungen und die großen Mißbräuche der Osmanulis. Jeder Fußbreit Erde iſ mit Thränen benebt, mit dem Blute unſerer Ahnen getränkt. Noch immer zerſtampfen die Roſſe der Osmanlis den Glauben, die Freiheit, die Ehre und das Haus der Nachkommen der Nemanitſch und Obilitſch, und zwar zur Schande der geſammten Nation! Die Stunde der Rache für Koſſowo hat geſhlagen. Die Zeit iſt da, wo wir auf-

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hören ſollen, türkiſhe Rajahs zu ſein. Unſere Brüder vergießen auf der Neretva ſtromweiſe das türfiſhe Blut. Das heldenmüthige bosniſche Grenzland ſchafft ſeine Blutſauger beiſeite. Höre, Du Nation aller drei Glaubensbefenntniſſe! Ergreife die Waffen, denn der Krieg ſoll die Freiheit der geſammten Nation geben! .…. Jeder Glaube, Jedermanns Recht, Ehre und Vermögen werden uns heilig ſein. Wer als Feind dieſem Kriege gegenüberſteht, ex mag welchen Glauben immer haben, wird dieſen Verrath mit ſeinem Leben zahlen. Daher erhebet Euch ſämmtlih, Jhr Söhne von Bosnien, der Herzegowina und Alt-Serbien! Mit dem Blute der Böſewichter beſpribk den Herd der Urväter! Dieſes Land gehört uns von altersher. Das Recht iſt unſer. Gott iſ mit uns! Der Sieg wird uns gehören. Nur heldenmüthig und mit vereinten Kräften {lagen wir auf unſere Feinde los! Es lebe die ſerbiſhe Nation! Es lebe die Freiheit ! Es leben die Helden! Es leben die freien Länder Bosniens, die Herzegowina und Alt-Serbien! Die Kämpfer für die Freiheit und Einheit des Serbenthums.“ Man ſieht, daß Pope Zarko ſich höchſt vortheilhaft von #o vielen ſeiner Collegen im Orient unterſcheidet, welche von competenter

“Seite in ihrer Mehrzahl als unwiſſend, roh und

gemein geſchildert werden. Unſer Gewährsmann kannte z. B, einen Popen, der früher Schneider geweſen. Die ſißende Lebensart that ihm nicht gut, ex litt am Unterleibe und die Aerzte meinten, daß ihn ein Stand, der mehr Bewegung erlaube, heilen fönnte. Was ſollte der Schneider machen? Er ließ fi< einen Bart wachſen und kaufte ſich für 1800 Piaſter, die ex erſpart hatte, vom Biſchof die Weihe. So nämlih kommt man dort niht ſelten in den grieciſch-geiſtlihen Stand; man braucht kaum leſen und ſchreiben zu können, man muß nur Geld genug haben, um die Weihe zu kaufen. Der Biſchof kauft, freilich für größere Summen — no< vor niht langer Zeit war der gewöhnliche Preis 20.000 Piaſter — Weihe und Plaß vom Patriarchen, dieſer kauft ſeinen Plat von der Regierung.

Es fommt da beim Biſchof nicht darauf an, daß er dieſe Summe beſitze; es iſ genug, wenn er ſie vorbringen kann, denn in kürzeſter Zeit iſt er im Stande, ſie zurü>zuzahlen. Hat ex ſeinen Plaß bezahlt, ſo ſchreibt er nur an die ihm nunmehr untergebenen Popen, daß ex nächſtens eine Reiſe dur< ſeine Diöceſe machen werde, und dieſe kündigen es von der Kanzel an, daß ein neuer Viſchof in's Land kommt und daß man ſi darauf vorzubereiten hat. Nah Kurzem kommt der Biſchof. Er geht von Haus zu Haus; ex beſucht jedes Schäflein ſeiner Heerde und jedem Schäflein bringt er etwas mit, einen Fez (ſprich Feß, türkiſche dunkelrothe wollene Müte mit