Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

119

Die Braut des Fürſten Milan hatte in Paris ihre Ausſteuer angekauft und koſtete dieſelbe 190.000 Francs, in welher Summe der Scneidex allein mit 38.000 Francs figurirte. Das Brautkleid hätte ſollen aus weißem Sammt beſtehen, man mußte aber wegen der allzu großen Schweré des Stoffes von dieſem Plane abgehen. Seit dem erſten Tage ihres Aufenthaltes in Paris war die künftige Fürſtin von zwei Herren auf Schritt und Tritt gefolgt, ſie drangen ſogar bis in die Gänge des Hauptgeſchoſſes des GrandHotel. Auf eingezogene Erkundigung ſtellte ſich heraus, daß die Verdächtigen zwei Agenten waren, welche den Fürſten Milan zu begleiten pflegten, wenn er na< Paris kam. Man hatte geglaubt, für ſeine Braut desgleihen thun zu müſſen. Die Agenten konnten, als ſi<h dies einmal Hherausgeſtellt hatte, ihren Dienſt unbehelligt weiter üben und die Beſorguiſſe hörten auf.

Nach mancher vergeblihen Anſtrengung kam endlih au< ein neues Cabinet zu Stande; es war das „Hoczeits-Cabinet“, wie es ein geiſtvoller Publiziſt nannte, welchem die Sorge zufiel, die anmuthige Braut Milans im Lande einzuführen.

Der Chef des neuen Miniſteriums, Herr Kaljewit\<, zuleßt Präſident der Skupſchtina und glei<h MRiſtics und Gruics ein Mitglied der Omladina, repräſentirte eine gemäßigtere Schattirung der ſerbiſhen Kriegspartei; ſomit konnte ſeine Berufung als ein Verſuch betrachtet werden, dur< Benüßung der conſervativeren Elemente der Skupſchtina den Uebergang in wirklich conſervative Bahnen zu finden, wie ſie in dem ehemaligen Miniſterpräſidenten Marinowit\< ihren ausgeſprochenen Vertreter beſaßen. Aber wie weit au< immer die großſerbiſhe Tendenz der neuen Miniſter von den Umſturzideen der Riſtics und Genoſſen eutfernt ſein mochte, türkenfreundliher als ihre Vorgänger durften ſie im tiefſten Herzensgrunde ſ{hwerli< empfinden.

Die Zeit war ſ{<le<terdings niht dazu angethan, dieſer Geſinnung ſtreitbaren Ausdru> zu

geben. Der Dru> der auswärtigen Mächte war ſo ſ<werwiegend, daß die Pflicht der Selbſterhaltung jede ſcharfe Feindſeligkeit gegen die Pforte unterſagte. Graf Andraſſy konnte ja direct über die Dankſagungen quittiren, welhe ihm aus dieſem Anlaſſe der türkiſhe Botſchafter durch Vorleſung einer Depeſche des Divans zu überbringen hatte. Dieſer Zwiſchenfall mußte auch in Belgrad verſtanden worden ſein. Aber es war fein Zweifel, daß auch dieſes maßvollere Cabinet ſofort auf's Neue die Kriegsfrage aufwerfen würde, wenn ſi< nur irgend eine Conſtellation einſtellte, welche die geringſte Ausſiht bot, eine ſolche Politik niht von Europa gnadenlos durhfreuzt zu ſehen.

Allerdings waren für den Augenbli> in Serbien materiellere Jntereſſen auf die Tagesordnung geſeßt. Die türkiſche Eiſenbahn-Convention ſtellte an die wirthſchaftliche Kraft der Belgrader Regierung beſtimmte Anforderungen. Sie hatte alle Urſache, ſi< den weſtlihen Kapitalsmarkt freundli< geſinnt zu erhalten, und wenn bisher alle ihre Verſuche, ſih dieſés Kapital zu befreunden, unglü>li< verliefen, ſo war daran vielleicht eben ſo ſehr die finanzielle Jungfräulichkeit des ſerbiſhen Staates ſ{<huld wie deſſen abhängige Stellung als türkiſ<hes Vaſallenland.

Dieſe Angelegenheit allein war {hon geeignet, den neuen Miniſtern ein beſcheidenes Zeitmaß in ihren nationalen Beſtrebungen zur Pflicht zu machen; und ſo vollzog ſi denn in der ſerbiſchen Hauptſtadt einer der ſeltſamſten Umſchläge und Stimmungs8wecſel, wel<he im politiſchen Leben noh vorgekommen. Eben noh raſſelte man mit großem Munde und war Feuer und Flamme gegen den türkiſhen Erbfeind, gegen den man Himmel und Hölle in Bewegung zu ſeßen {wor ; plößlih aber ſ{<wamm dies von ſo heftigem kriegeriſchen Feuer dur<hglühte Land in unſchuldsvollen Gefühlen und feierte nur no< Liebe und Ehe mit Ueberſchwänglichkeit in Gemüth und “ Sprache.

Das Gefſe<t von PVrapatunika.

Was einſtweilen die Türken anbelangt, ſo war die lette Hälfte des Monats September für ſie eine entſchieden unglü>liche.

: Nah dem Glü>sſtrei<h vom 18. September bei Glavska beſ<hränkten ſi< die unter. Oberanführung von Ljubobratitſ<h und Peko Pawlowitſ< ſtehenden beiden Jnſurgentenſchaaren durh ſehs Tage auf die Theilung der in Zabice, unterhalb Drieno, und bei Glavska gemachten

|

Beute, dann auf mehr oder weniger wirkſame Störungen der Communication zwiſhen Raguſa und Trebinje. Ein Theil der Bänjaner, unter ihrem Wojwoden Maxim Bacewitſ<h, brachte * das erbeutete Vieh na< den Bergen gegen die herzegowiniſh - montenegriniſhe Grenze zu in Sicherheit. i

Nach der theilweiſen Hintertreibung der Verproviantirung Trebinje’s dur< das Gefecht unter-