Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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in der Paſtirewo und an der tro>enen Grenze; jéder folgte einem anderen Comité und jede einheitliche Leitung fehlte.

Nachrichten aus der Herzegowina meldeten von Niederlägen der Türken. Daß die Verluſte groß ſein mußten, ging au< daraus hervor, daß alles reguläre Militär na< der Herzegowina gezogen wurde, während Redifs und BaſchiBozuks (unregelmäßige Truppen, Art Landſturm) in Bosnien blieben. Das ganze Gebiet vom Paſſe von Dubrawißa (Bezirk Klek) bis ‘nah Trebinje, von dort bis Raguſa (mit Aus8nahme der Forts Drieno und Carina), das Zubci-

Gebiet, die Sutorina, alle Grenzgebiete um Montenegro bis hinauf na< Gabko waren unbeſtrittenes Eigenthum der Juſurgenten. Ver-

pflegung war aus Montenegro und Dalmatien ziemli< leiht, Munition fam von Cettinje, Geld aus Rußland. Dort war ein Ende des Aufſtandes nicht abzuſehen.

Die Juſurgenten-Anführer in der Herzegowina hielten um dieſe Zeit einen großen Kriegsrath unter dem Borſite des wiedergeneſenen zurü>gekehrten Oberwojwoden Ljubobratitſ<, in welchem fie beſchloſſen, den Guerillakrieg gegen die Türken im Gebiete von Goransko, Bilekj, Plana und Trebinje fortzuſeßen. Die Jnſurgenten rehneten umſomehr auf einen Erfolg dieſes Planes, als ſie wußten, daß die türkiſhen Truppen dur die Kämpfe, Krankheiten und elende Verpflegung faſt auf die Hälfte ihres urſprünglihen Standes reducirt waren. Den Juſurgenten fehlte es nicht an Geld, wohl aber an Kanonen.

ï Bulgarien.

Auch in Bulgarien war mittlerweile ein Putſh ausgebrochen, welcher jedo<h mit leichter Mühe unterdrü>t wurde.

Bulgarien war von jeher ein Land, nach dem niht nur Rußland, ſondern auh Serbien ſtreblen. Die Bulgarei iſt ein fettes Stü> Land. Umſpült von dem großen Fluß des Welttheiles einer- und von den grünen Gewäſſern des mit Unrecht von den Altgriehen benannten Pontus Euxinus andererſeits, eignet ſi dieſes Land, das das Volk „von jenſeits der Wolga“ mit großem Geſchi> ſi< ausgeſuht, wie kein anderes der Balkan-Halbinſel für einen großartigen Handel. Selbſt unter den neueſten ſehr ungünſtigen politiſchen, culturellen und ökonomiſchen Verhältniſſen, in denen ſi< ja alle von Natur und Klima ſo ſehr bevorzugten Provinzen der europäiſchen Türkei befinden, hat Bulgarien einen ſehr ausgebreiteten Expóörthandel. Der erträgnißreihe Boden, für den Wiſſenſchaft und Kunſt ſo gut wie ni<ts gethan, belohnt die Mühewaltung feiner Bearbeiter zehn-, ja oft zwanzigfah. Agricultur und Viehzucht werden mit Schwung betrieben,

_ Wunſch der ſerbiſchen Politiker.

Der Bulgare iſt-arbeitſam, fleißig, ausharrend, unverdroſſen und unermüdli<h — und in dieſer Beziehung iſt er der weiße Rabe unter den Völfern des Oſtens, denen alle dieſe Eigenſchaften ganz fehlen. Vom Türken abgehen der ja doh nur als Beamter und Soldat im Lande herumirrt, zeichnen ſih ſelbſt die <riſtlihen Mitbewohner und Nachbarn der Bulgaren dur Trägheit und jenes ſüße Nichtsthun aus, worin ſie unſtreitig den neapolitaniſchen Lazzaroni (obdachloſem Straßenpöbel) ſiegreiche Concurrenz bieten. Namentlich der Serbe, der mit und neben dem Bulgaren wohnt, liebt die harte, anſtrengende Arbeit nicht. Sein Jdeal iſt eine leichte, dafür natürlih um ſo einträglihere Beſchäftigung, die er au< überall mit Vorliebe betreibt. Dafür ſteht er aber dem Bulgaren in Bildung, Wohlhabenheit und entwi>eltem Gemeindeleben entſchieden na<. Die ſerbiſhe Nation behauptet ein Kriegervolk zu ſein, das culturtragende und daher zukunſtsreiche iſt aber das bulgariſche. Auch iſt dies das zahlreicſte in der europäiſchen Türkei, die Ziffer von fünf

“Millionen eher zu gering als zu ho.

Dieſes Volk nun mit dem Serbenreiche kurzgefaßt zu vereinigen, war der längſt gehegte Deutlih aber erfaßte dieſen Gedanken zuerſt der verſtorbene Fürſt Michael II[. Obrenowitſ<, der überhaupt großen Entwürfen nachzugehen liebte. Ein Umſtand ſtand aber ſtets und vor allen anderen der Verwirklihung dieſes Planes entgegen: der Bulgare iſt erſtens nicht kriegeriſ< und liebt die Auſfſtände nit, zweitens traut er Serbiens Ver\ſprehungen wenig, drittens iſt das Volk total der Vereinigung entgegen und viertens zählen die angeſehenſten Bulgaren, die ſogenannten Tſchor- . badſchjes, zu den conſequenten und treuen Anhängern der türkiſchen Herrſchaft.

Das laufende Jahrhundert ſah allerdings mehrere bulgariſche Erhebungen, die alle im Balkan ſpielten, aber ſämmtlih mißlangen fie, weil ſich die Maſſen für dieſelben niht erwärmten, weil die Wohlhabenden einen Waffentanz überhaupt ſcheuen und weil die Geiſtlichkeit, die in Bulgarien das große Wort führt, denſelben ihren Segen nicht ertheilte.

Die Bulgarei oder Bulgarien, der nordöſtliche Theil der Türkei, zwiſchen der Donau und dem Balkan, das alte Nieder-Möſien, hat 1266 Quadrat-Meilen mit etwa fünf Millionen Einwohnern, überwiegend Slaven. Der Süden iſt gebirgig, über 2000 Fuß hoh, der nördliche Theil (die Südhälfte der großen Donau-Ebene) wellenförmig eben und fruchtbar; beſonders iſt die Dobrudscha (Küſtenland) die eigentlihe Kornfammer von Conſtantinopel, Die drei Ejalets (Statthalterſchaften) ſind: Siliſtria, Widdin und Niſh. Die alten Möſier mußten im fiebenten Jahrhunderte den Bulgaren weichen, einem unga-