Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

riſhen Volke, das von der Wolga her vordrang, ſeit 493 häufig über die Donau kam und wiederholt, namentli<h 502, Streifzüge na< Conſtantinopel machte. Jin Jahre 562 kam das Land mit Beibehaltung eigener Khane (Fürſten) unter die Herrſchaft der Avaren und theilte ſih 660 unter den Söhnen des Khans Kuwrat, der das Joch der Avaren gebrochen, in mehrere Zweige. Der Hauptzweig überſchritt unter Ap aru< die Donau und gründete 680 in dem heutigen Bulgarien ein mächtiges Reich. Hier verſ<hmolzen die Bulgaren nah und na<h mit der flaviſchen Bevölkerung und nahmen ſeit dem neunten Jahrhundert deren Sprache an. Fhr Khan Michael herrſhte als König. Nach langen Kämpfen mit den Byzantinern wurden ſie 1018 von dieſem unterworfen. Die Walachhen Peter ‘und Aſan reizten das ſhwer gedrü>te Volk 1186 zum Aufſtand und gründeten darauf das walachiſ <bulgariſhe Reih der Aſaniden, das 1285 bis 1299 von den Tartaren abhängig war, 1365 von den Türken erobert und 1391 türkiſche Provinz ward.

Der harte Dru>, unter welhem die Bulgaren ſeufzten, erwe>te zeitweilig das Gefühl ihrer Nationalität und die Sehnſucht na< Befreiung, die zu einzelnen Aufſtänden führte, ſo zu. dem vom Fahre 1841, der aber aus den früher angeführten drei Gründen total verunglü>te. Bis zum Fahre 1868 blieb das Land weiterhin von allen revolutionären Zu>kungen verſchont ; erſt der vereinigten Einwirkung Napoleon's II. und Obrenowitſ<'s III. gelang es, im vorgenannten Fahre eine Empörung anzufachen, die aber darum fläglih endete, weil ſie Napoleon, der ſie für das Fahr 1866 geplant hatte, zu ſpät kam, und weil Fürſt Michael Ill. von Serbien am 11, Funi desſelben Fahres das tragiſche Geſchi>k im Parke von Topſchider ereilte.

Aber gerade damals wurde die Erfahrung gemacht, wie ſ{hwierig es ſei, die Bulgaren für eine „große“ That zu gewinnen. Die ſogenannte altbulgariſche Partei wollte von einer „Befreiung“ dur< das Schwert eben #ſo wenig wiſſen wie von einer Verſhmelzung ihres Landes mit Serbien ; viel lieber ging ſie {hon ein, dem mächtigen ruſſiſchen Reiche unter irgend wel<her Form ſih einverleiben zu laſſen. Die „Fungbulgaren“, dieſe treue Nachahmung der ſerbiſ<hen Omladina, \{<hwärmten nur für eine Republik, vielè unter ihnen ſogar für eine ſociale Republik. Auch war dieſes „junge Bulgarien“ im eigentlichen Volk ohne jegli<he Wurzel, in Bulgarien ſelb ſogar ſo gut wie unbekannt. Fhr Hauptſiß war in Bukareſt, wo auch ihre zwei Organe erſchienen und von wo aus ſie eine vereinzelte, mehr glänzende, als ernſtlihe und von innerer Kraft getragene Thätigkeit jenſeits der Donau entfalteten. Selbſt die Liebäugeleien der ſerbiſ<hen Regent-

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ſhaft mit den Führern dieſer Partei lieferten

keine Reſullate; von dem monarhiſh-organiſirten

Serbien wollten die „Fungbulgaren“ nichts wiſſen. Seit der Aufſtand in der Herzegowina ausgebrochen war, verkehrten die bulgariſchen „Spißen“ beider Parteien viel mit den nominellen Chefs in Neveſinje. Auch in Belgrad ſah man geheimnißvoll bulgariſhe „Abgeſandte“ dahinſchleichen, die aber meiſtens ſo gingen, wie fie kamen, ohne irgend wel<he Spuren ihrer „Thätigkeit“ zu hinterlaſſen. Riſtics brachten ſie das größte Mißtrauen entgegen; erfolgreicher ſcheinen die Verhandlungen geweſen zu ſein, welhe Ljub obratitſ< mit den Abgeſandten des Herrn Karabroff — dem anerkannten und allerdings talentvollen „Chef“ der Jungbulgaren, der aber auh ſeine geheimnißvollen Verbindungen mit den „ſlavophilen“ (\lavenfreundlihen) Comités in Moskau, Kijef und Odeſſa hatte — pflegte.

Sehr langſam, ſogar ſ{<leppend waren die „Pourparlers“ (Wortwechſel), ſie führten aber doh zum Reſultate, daß eine Abtheilung revolutionirender Bulgaren ſi< im Balkan, dieſer alten Schaubühne aller bulgariſ<hen Bewegungen, zeigte. Es ſchien eine gleihzeitige Erhebung auh im Niſchajer Sandſchakate geplant worden zu ſein. Eines \{<önen Tages (20. October) verſammelten ſih bei ſe<8hundert Mann im Städthen Suntſ<hewo, wo für ſie Waffen bereits abgelagert waren; an dem Tage hätte der Aufſtand da ausbrechen ſollen. Eine donnernde Proclamation ging voraus, die jedem „untreuen“ Bulgaren mit dem Tode drohte und welche die Einſetzung einer proviſoriſhen „National-Regierung“, der alle Bulgaren ohne Ausnahme zu gehorhen hätten, ankündigte. Aber „Jungbulgarien“ re<nete ohné die Tſchorbadſchjes, von denen Einige ſi< in den „geheimen“ Bund eingeſhlihen und dann im rehten Momente für Orden und gutes Geld die Sache den Behörden verrathen hatten. So war es denn dem Gouverneur von Niſch, der eine große militäriſ<he Macht zur Verfügung hatte, ein Leichtes, an jenem Tage in Suntſchewo achthundert Mann bei der Hand zu haben und alle 600 anzuhoffenden Jnſurgenten in ſeine Gewalt zu bekommen. Die Leute wanderten na<h den großen Gefängniſſen von Stambul. Der Verſuch endigte hier ſo kläglich, wie im Ruſtſhuker Sandſchakfate, wo ebenfalls dur<h Verrath 300 Bulgaren, die erſt „Revolutionäre“ ſein wollten, hinter Schloß und Riegel gebraht wurden.

Nur im Balkan, dieſer natürlichen Bergveſte der Bulgaren, war der Anfang wenigſtens glü>liher. Die hier auf den unzugänglichen Felſenhöhen aufgetauchten Freiſhärler wurden vorläufig von Niemandem beläſtigt; aber nur vorläufig — denn der Vali von Ruſtſchuk ſandte ſogleich mehrere Bataillone von Niſh aus nah dem Balkan, um den proviſoriſhen Bewohnern

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