Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

Die energiſche Sprache der Fnſurgenten zeigte nur zu deutlich, daß dieſelben von fkeiném- türfiſhen Reform-Projecte, und wenn dasſelbe auch doppelt und dreifach garantirt geweſen wäre, auh nur das Geringſte wiſſen wollten.

Zwei Tage ſpäter brach in Kragujewaß und noh au einigen anderen Orten die offene Rebellion gegen den Fürſten vonSerbien aus und hie und da war auh. die rothe Fahne der Republik aufgepflanzt.

Bekanntlich gehörte die große Mehrzahl der ſerbiſhen Jugend und der ſerbiſchen Arbeiter der communiſtiſ<hen Partei an. Wie tief das Uebel ſi<h bereits eingefreſſen hatte, das lehrten viele Skupſchtina-Sibßungen, in welchen für Lehrſäße und Anträge Geltung beanſprucht wurde, wie ſi< ihrer die Blüthezeit der Pariſer Commune nicht zu ſchämen gebraucht hätte. Wenn aber {on ein guter Theil der ferbiſhen Volksvertretung ſi< von dieſer ſhre>li<hen Zeitkrankheit ergriffen gezeigt hatte, um wie viel ärger war es niht mit der Maſſe des ſerbiſchen Volkes beſtellt! Es war feine Uebertreibung, wenn behauptet wurde, daß, wenn man Rußland ausnimmt, die kraſſen Lehren des ſocial-communiſtiſchen Glaubens-Lehramtes in Europa nirgends auf fruchtbareren Boden gefallen waren. Fu Kragujewaß befanden ſi< die Etabliſſements zur Erzeugung des Kriegsmateriales, was zur Folge hatte, daß daſelbſt eine ſehr beträchtliche Anzahl von Arbeitern zuſammengeſtrömt war.

Die Gemeindewahlen boten den Communiſten den willkommenen Aulaß, in ihrer Art Proben ihres Daſeins zu geben. Mehrere Perſönlichkeiten wurden auf. offener Straße angefallen, inſultirt und mißhandelt. Fn einem abgelegenen Stadtviertel drangen einzelne Trupps dieſer Gleichheitshelden in die Häuſer ihrer Gegner ein. Jm Allgemeinen lief der ganze Krawall noh leidlih ab, indem nur eine Tödtung und mehrere Verwundungen vorkamen. Zur Plünderung war es, muthmaßli<h wegen des noh rechtzeitigen Einſchreitens der bewaffneten Macht, nicht gekommen.

„Krieg oder Republik!"war inSerbien die Loſung und ſo konnten für den aufmerkſamen Beobachter die fortgeſeßten Rüſtungen der ſerbiſhen Regierung niht mehr auffallend ſein, obſchon dieſe ſi< au< niht der geringſten Täuſchung hingeben konnte, daß die Großmächte jedem Verſuche, das Friedenſtiftungswerk in den aufſtändiſchen türkiſhen Provinzen zu ſtören, in entſchiedener Weiſe begegnen würden. Der öſterreihhiſhe Generalconſul und diplomatiſche Agent, Fürſt Nikolaus Wrede, hatte unmittelbar nah der Rückkehr von ſeinem Urlaube eine Audienz beim Fürſten Milan angeſu<ht und man vermuthete, daß er dem Fürſten abermals die Erwartungen ſeiner Regierung auf ein friedliches Verhalten Serbiens auseinandergeſezt habe. Es

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war au< mit einiger Sicherheit anzunehmen, daß Fürſt Milan die beruhigendſten Zuſagen in dieſer Beziehung gemacht hatte.

Demungeachtet fuhr die ſerbiſche Regierung fort, nah allen Richtungen hin zu waffnen. Nicht genug, daß ein ungariſcher Pferdehändler, Namens Weiß, Lieferungs-Contracte auf eine beträchtliche Anzahl von Pferden abgeſchloſſen hatte, ſo begab ſih auh eine aus Cavallerie-Offizieren beſtehende Commiſſion na<h Beſſarabien, um dort ahthundert Pferde zu kaufen. Weiters hatte das Kriegsminiſterium 100.000 Paar Opanken (Bundſchuhe), 60.000 Soldatenmäntel, 50.000 Zelte und vier Batterien Krupp’ſher Kanonen im Auslande beſtellt. Da die Staatskaſſen no< immer leer waren, hatte die Regierung einſtweilen, bis zur Verwirklihung der Anleihe, über welche auf dem Amſterdamer Plate unterhandelt wurde, Vorſchüſſe im Betrage von einigen hunderttauſend Gulden bei einigen reihen Patrioten entlehnt.

Vielleiht gab es aber doh eine halbwegs glaubwürdige Erklärung für dieſe Rüſtungswuth. Bekanntlih war man in Belgrad in dem Momente der höchſten fkriegeriſhen Erregung zur Exkenntniß gekommen, daß der ſerbiſchen Armee Alles fehle, was ſie au< nux halbwegs feldfähig zu machen geeignet war, und die Regierung glaubte deshalb, die gegenwärtige opferwillige Stimmung der Nation zur Erlangung der Mittel benüßen zu ſollen, um die Verſäumniſſe nahzuholen, die man ſi< bezügli<h der Armee ſeit Jahren hatte zu Schulden kommen laſſen.

Jn Folge dieſer aufregenden Vorfälle war es niht zu wundern, daß die Regierungen von Oeſterreih-Ungarn und Rußland nah Empfang der Antworten der Hohen Pforte auf das Andr af \y’ſhe Reform-Programm ſofort alle nur möglichen Schritte“ unternahmen, um ihrerſeits die Niederwerfung des Aufſtandes in der Herzegowina zu beſchleunigen. Während das Wiener Cabinet eine ſtrenge Bewachung der Grenzen befohlen hatte, um den Fuſurgenten jeden neuen Zuzug abzuſchneiden, empfahl die ruſſiſ<he Regierung dur ihre Vertreter in Raguſa und Belgrad den Fürſten von Serbien und Montenegro die ſtrengſte Neutralität an.

Auch die Pforte {lug gegen Serbien und Montenegro einen ernſteren Ton an, wozu man allerdings in Belgrad und in Cettinje dur<h das ſtarke Redensarten-Heldenthum und die fortwährende Ränkeſpinnerei volle Berechtigung gegeben hatte. Die Zeit, in welcher die Pforte ſich Montenegros dur< Conceſſions -Anerbietungen verſihern zu müſſen glaubte, war vorüber; es wurde den Fürſten von Montenegro und Serbien eine vierwöchentlihe Friſt geſtellt, um ihre an dem Aufſtande mit den Waffen in der Hand theilnehmenden Landsleute zur Niederlegung derſelben zu veranlaſſen, widrigenfalls aber mit