Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, page 195

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unerſchütterlihen Willen und die eiſerne Thatkraft hätten, die zündende Lunte an dieſes Pulverfaß zu legen. Aber zum Glücke waren dieſe Tendenzen niht ſo kräftig, um ſi<- zur Herrſchaft durchzuringen, zum Glü> ſtanden jenen Berechnern, die eine Welt in Trümmer ſ{lagen mochten, um ihre ehrgeizigen Sonderzwe>e zu erreichen , andere mächtigere gegenüber, die entſchloſſen waren, zügelloſem Ehrgeize und rü>ſihtsloſer Selbſtſucht ein Halt zu gebieten. Man zweifelte niht an dem Vorhandenſein von zerſtörenden Elementen im ſerbiſchen Fürſtenthume, die allein im Kriege eine Verwirklichung ihrer Wünſche ſahen, man wußte, daß es dem Fürſten Milan in den \<weren Stunden, die er durhzumachen hatte, niht an Rathgebern fehlte, die ihm nahelegten, den inneren Gefahren, die ſeinen Thron bedrohten, dadurch auszuweichen, daß er den revolutionären und übertriebenen Elementen eine Sicherheitsflappe nah Außen öffne; aber man hoffte noh immer, daß ſelbſt das Zuſammentreffen aller dieſer’ Umſtände, daß ſelbſt das vereinte Wirken aller dieſer Factoren niht im Stande ſein würde, den auf den Willen der Mächte, auf das Einverſtändniß der drei Kaiſer feſt gegründeten Friedens\tand zu erſchüttern.

Die Meldung, daß die Pforte in der That dem Fürſten der Schwarzen Berge eine kleine Gebietserweiterung zugeſtand, ja ſogar den heißerſehnten Hafen am Adriatiſhen Meer, dur< den ſich Montenegro der umſtri>enden Umarmung

des Ottomaniſchen Reiches entzöge, mochte im

Konak zu Belgrad wie der Sporn gewirkt haben, der einem Renner in die Flanke getrieben wird. Serbien konnte und durfte, wenn es niht auf ſeine Anſprüche verzihten und ſeiner“ bisherigen

Feldzeugmeiſter Baron Rodi.

Geſchichte widerſprehend handeln wollte, niht hinter Montenegro zurü>ſtehen, und erhandelte ſich der Beherrſcher des kleinen Berglandes einen Hafen an der Adria, ſo mußte der mäctigere Fürſt von Serbien, mußte der Erbe des alten Miloſh Obrenowitſh darauf bedacht ſein, wenigſtens einige türkiſhe Zugeſtändniſſe, ſei es au<h nur bezügli<h Klein-Zworniks, zu erhalten, wollte er niht in dem patriotiſchen Wettlaufe um die Gunſt der ſlaviſch-ſtarrgläubigen Bevölferung gebracht werden.

Das unwiderſtehlihe Gebot für die ſerbiſche Regierung, das in dieſen Umſtänden lag, die zwingende Gewalt, der ſie ſich beugen mußte, war begreiflich; aber zum Glüe entſcheiden no< in Europa nicht die ungeregelten Anſprüche halbcultivirter Völfer, niht die Jntereſſen einer Dynaſtie oder eines Cabinets. Keinem einzelnen Jntereſſenten, keinem ein-

zelnen Volfk8-

ſtamme fann es geſtattet ſein, ſeine Jutereſſen und ſeine Wün-

{he höher zu

ſtellen als die großen Fntereſſen der Allgemeinheit, und ſo fonnte man hof-

fen, daß auh Serbien darauf verzichten

würde, im illyriſhen Dreiece jene Rolle zu ſpielen, die einſt Piemont in Ftalien ſpielen konnte; man fonnte hoffen, daß es darauf verzihten würde. der Kernpunkt einer politiſchen Abwickelung zu werden, die nur den Keim und den Ausgangspunkt neuer Verwickelungen bilden und nur um den Preis einer totalen Umwälzung im Oſten des Weſlttheils errei<ht werden könnte.

Es war daher zu hoffen, daß die Stimme der Mäßigung in Belgrad noch in letter Stunde durhzudringen im Stande ſein würde. Dem Einfluſſe der Diplomatie Oeſterreichs und Rußlands war es auh für den Augenbli> gelungen, die