Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, page 197
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verlaſſen würden, eincr Ucbermacht gegenüber, wie ſie die türkiſhen Kerntruppen repräſentirten, die unter Ejub Paſcha in den Winterquartieren von Widdin, Niſh und Sofia eine viel behaglichere Exiſtenz geführt, als ihre Kameraden auf dem eigentlichen Fnſurrections-Schauplate und die aus dem Vilajet von Bulgarien ſtets Verſtärkungen an ſi ziehen zu können in der Lage waren,
_Ein fataler Zwiſchenfall, der ſi<h an der ſerbiſchen Grenze zutrug, war ebenfalls niht geeignet, die herrſhende Spannung in Serbien zu vermindern.
Bei - Zaiczar überſchritt eine Schaar Tſcherkeſ ſen den Timok-Bach und die ſerbiſche Grenze. Die diesſeitigen Einwohner längs des Timok flüchteten zu den Grenzcordonhäuſern, deren Beſaßung Alarm ſ<lug. Raſh ſammelten ſih die Grenzcommandos und lieferten den Tſcherfeſſen ein förmliches Treffen. Der Kampf dauerte niht lange, denn als die Kaukaſier ſahen, daß ſie bereits fünf Todte am Plate ließen, ergriffen ſie die Flucht und, verfolgt von den ſerbiſchen Grenzſoldaten, traten ſie eiligſt den Rückzug über den Timok nah Bulgarien an. Beim Uebergang über dieſen ſtark angeſ<hwollenen Bach erlitten einige der flüchtenden Ruheſtörer den Wafſertod. Die Grenzeinwohner waren durh ſolche feindliche Einfälle ſehr beunruhigt und beſtürmten die Regierung mit BVittſchriften um Sicherung von Leben und Eigenthum. Die fürſtlihe Regierung veranlaßte in dieſer Sache ernſtlihe Schritte in Conſtantinopel.
Troß Allem war daran niht zu zweifeln, daß man ſi< in Belgrad oder wo ſonſt die eigent-
lihen Plänemacher des großſerbiſchen Freiheitsbundes hauſten, über all’ die bereits angeführten Bedenken mit der Tolldreiſtigkeit des Spielers, der Alles auf eine Karte wettet, hinweggeſeßt hätte, wofern man nur eine noch ſo beſcheidene Hoffnung in jene Macht zu ſetzen vermocht haben würde, in der man ſonſt die großmüthige Schüterin aller ſlaviſh-nationalen Strebungen zu erbli>en gewohnt war. Hätte Rußland Miene gemacht, allenfalls erſt in einer ſpäteren Wandlung dieſes Unternehmens, demſelben eine, wenn auh noh ſo beſcheidene Unterſtüzung angedeihen zu laſſen, hätte es ſelbſt nur dem Fürſten Milan die Erhaltung ſeines Thrones für den allerärgſten Fall verbürgt, dann hätte wohl die ſerbiſche Actions-Partei bereits den zweiſhneidigen Triumph erlebt, daß es ihr gegönnt geweſen wäre, der Friedensbeſtrebungen der Mächte zu ſpotten und ſih zu dem erhebenden Bewußtſein aufzublähen, die Brandfackel in den aufgeſchihteten Holzſtoß der orientaliſchen Frage geſchleudert zu haben.
Aber das Peters hur ger-Cabinet vereinigte ſeine Bemühungen mit jenen des öſterreichiſchen, um die fürſtlihe Regierung zurü>zuhalten vor dem Wogenſchwalle der entfeſſelten Leidenſchaft, in den ſie die Wortführer zu ſtürzen drohten. Der Vertreter Rußlands in Belgrad wetteiferte mit ſeinem öſterreichiſh-ungariſchen Collegen in der Erfüllung jener Aufträge, die ihm die ernſteſten und ausdrüli<ſten Vorſtellungen in dieſem Sinne zur Pflicht machten und als deren Folge die merkwürdige Abkühlung des Kriegsfiebers ſich zeigte.
Vergebliche Conferenzen und blutige Kämpfe.
Unterdeſſen ſete die Pforte ihre Frieden-
ſtiftungs-Verſuche in den aufſtändiſhen Provinzen -
fort, nihtsdeſtoweniger ſteigerte ſih fortwährend die Berworrenheit der Verhältniſſe in der Herzegowina. Ein Waffenſtillſtand8antrag des türkiſchen Obergenerals in der Herzegowina, Ahmed Mukhtar Paſcha, wurde von den Fnſurgenten zurü>gewieſen, ebenſo die Vorſchläge, welche der Pfortencommiſſär Haidar Effendi den auf öſterreihiſhem Gebiete weilenden bosniſchen Flüchtlingen machte. Auch die ſtrengen Maßregeln, welche Oeſterreih an ſeiner Grenze zur Ausführung brachte, entmuthigten niht. Es ſchien gar niht in's Gewicht zu fallen, daß das Schiſal, welches Ljubobratitſ\< verfolgte, nun auch ſein Corps ereilt hatte. Es war nämli<h dem Bezirkshauptmann Luxardo gelungen, dur< Gendarmerie und eine Militär-Patrouille den zweihundert
Maun ſtarken Ljub obratit\ <'’ſ<en Fnſurgententrupp, als derſelbe den Narentafluß paſſiren wollte, anzuhalten. Darunter befanden ſi< die Führer Pawitſ<, Muratowitſh, Miskowit \<. Alle wurden na< Macarsca escortirt.
Um in eingehenderer Weiſe als bisher zu vermitteln, kam Feldzeugmeiſter Baron R odi<h am 26. März nah Raguſa. Noch am ſelben Tage fand zwiſchen ihm, dem Obergeneral Mukhtar Paſcha und den beiden Pfortencommiſſären eine Beſprehung ſtatt. Urſprünglih war Metkowit als Ort der Zuſammenkunft in Ausfiht genommen worden, doh geſchah es auf Wunſch der türkihen Würdenträger, daß man ſi< für Raguſa entſchied, woſelbſt \{<on vor einigen Tagen der bekannte Schweizer Arzt Ketſ\<het Effendi eingetroffen war, um im Namen des Pfortencommiſſärs Waſſa Effendi ausführlichere