Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, page 322
Euch in der Tiefe meiner Seele. Troßdem darf die Freiheit, wel<he Fhr gegenwärtig genießt, Euch niht zu Rachethaten an Eueren Brüdern mohammedaniſhen Glaubens hinreißen. Es iſt mein Wunſch, daß Euch der Geiſt der Brüderlihkeit und der Verſöhnung beſeele.
Herzegowiner mohammedaniſchen Glaubens! Alles das, was ih hier zu Eueren Brüdern riſtlihen Glaubens geſprochen, gilt vollſtändig au< für Euch. Die Zeiten, in welchen Eure Vorfahren den mohammedaniſchen Glauben annahmen und der Oberherrſchaft, ſowie beſonderer Vorrechte theilhaftig wurden, find ſeit langen“ Fahren vorüber. Allmälig hat Euch der Türke alles dieſes aus den Händen gewunden und Jhr habt bereits begonnen, die \<were und tyranniſche Unterdrü>kung der Türken arg zu fühlen. Wenn niht au< für Euch dieſer glülihe Zeitpunkt angebrohen wäre, ſo wäret au< Jhr binnen Kurzem Rajahs geworden, wie es Eure criſtli<hen Brüder ſind. Mohammedaner ! Obwohl anderer Religion, ſeid Jhr nichtsdeſtoweniger unſere Brüder, denn in Eueren Adern iſt ſerbiſhes Blut. Darum komme ih ebenſo zu Euerer Befreiung wie zu jener Euerer riſtli<hen Brüder. Fn der freien Herzegowina werdet Jhr frei ſein. Ein Geſeß wird für Alle ſein und Eine Gerechtigkeit. Fn Euerem Glauben wird Niemand Euch antaſten, er wird wie ein Heiligthum betrahtet werden; dies verbürge ih Euh bei meiner Unparteilichkeit und bei der Liebe, die ih für Euh hege. Deſſen ſind Hunderte Euerer Glaubensgenoſſen Zeuge, die in Montenegro leben, und die immer bei mix brüderlihe Aufnahme, Hilfe und Berückſichtigung fanden. 5
Jh fordere Euh daher auf, Mohammedaner, niht die Waffen gegen Eure riſtlichen Brüder zu ergreifen.
Herzegowiner! So großartig, wie das Werk von uns begonnen wurde, ſo erhaben möge ſih au< die Großmuth aller Fener zeigen, die für dasſelbe kämpfen, Darum fordere ih Euch noh einmal auf, Herzegowiner und Montenegriner, ſeid edel und großherzig in dem Kampfe und reſpectirt vor Allem die Unverleßhli<hfeit des Gebietes des benahbarten Oeſterreich, unſeres Freundes, und jenes ſeiner Unterthanen.
Herzegowiner! Die JFhr rei<h an glorreichen Erinnerungen aus Eurer leuchtenden Vergangenheit und eine foſthare Zier der ſerbiſchen Nation ſeid, haart Euh unter mein Banner! Die Herzegowina muß frei ſein!“
Am 7. Juli hatten die Montenegriner die albaniſche Grenze no< niht überſchritten, dagegen hatten ſie die Verbindungen zwiſchen dem Lager und den Aufſtellungen der Türken bei Podgoriza
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ſtändig abgeſchnitten; Medun ſelbſt war von den Montenegrinern bereits eingeſchloſſen. Dabei ging jedo<h die montenegriniſhe Offenſive ſehr langſam von ſtatten. Die Urſachen waren mannigfacher Art, nämli< die Verzettelung der Streitkräfte und eine Reihe einzelner niht zuſammenhängender Operationen, erfolgloſe Belagerungen einzelner befeſtigter Punkte, was Alles auf den Gang der Tagesereigniſſe hemmend einwirfte.
Während nun bis gegen Mitte Juli das gegen Albanien wirkende Corps allerlei, wenn auch nicht bedeutende Kämpfe aufzuweiſen hatte, war die Nord-Armee unter Anführung des Fürſten N ifolaus auf ihrem Marſche gegen die Herzegowina langſam vorgerü>t. Die Montenegriner waren aber in ihrem Vordrängen ſehr behutſam, da ſie eines eigentlihen Generalſtabes entbehrten und die ganze Kriegsleitung auf den Schultern des Fürſten, des Senators Ranko Radonit\<, und einiger Jntendanten ruhte. Am 13. übergab ſi<h Metokia ohne Schwertſtreih an den Fürſten, die türkiſchen Truppen verließen die Stadt und zogen ſi< in die oberhalb derſelben angelegten Verſhhanzungen zurü> oder flüchteten über das Gebirge. Am 28. rü>te Mukhtar Paſcha mit fünfzehn Tabors gegen die Monlenegriner, welche denſelben überfielen, ihn in wilde Flucht jagten und den polniſhen Renegaten O8man Paſcha gefangen nahmen ; auh ‘eroberten ſie ſehr viel Bagage, Munition, Hinterlader und einige Fahnen. Am 29. ſtürmte die türkiſhe Colonne über Kuce geradewegs auf Medun, wo ſie aber von 2500 Kucianern und Montenegrinern in einem wüthenden Gefechte in wilde Flucht geſchlagen wurde. Ebenſo kam es oberhalb Vrbißa zu einer gräßlihen Schlacht, aus wel<her Mukhtar von ſeinen Tabors nur vier durh die Flucht rettete. Die montenegriniſche Armee hatte damit bereits die furchtbarſte Feuertaufe hinter ſi<. Der Paſcha war mit ſeinen Truppen in vollſtändiger Verwirrung.
Da mahte die Nathricht von der dur< Oeſterreih erfolgten Abſperrung des wichtigen Hafens Klek ungeheures Aufſehen. Schon am 13. Fuli hatte der öſterreichiſhe Botſchafter Graf:
“ _Zichy eine längere Unterredung mit dem Groß-
und der kleinen türkiſhen Feſtung Medun voll-
vezier, in welcher er namens ſeiner Regierung die Erklärung abgab, daß die Zuſtände in den ſüd\laviſhen Provinzen ODeſterreih-Ungarns die Aufrehterhaltung der ſtrengſten Neutralität erheiſchen und daß ſonach die öſterreihiſh-ungariſhe Regierung gezwungen ſei, den Hafen von Klek für Zugänge von türkiſhen Truppen, Munition und Lebensmitteln zu ſperren. Der Großvezier war durch dieſe Erklärung im hohen Grade betroffen und ſagte zum Grafen Zihy: Die Sperrung des Hafens von Klek unterſcheide ſi<h unweſentli<h von einer Kriegserklärung und ſei mit dem Verluſte Bosniens und der Herzegowina faſt gleihbedeutend. Er hat wenigſtens um einen Aufſhub dieſer Maß-
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