Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

ſtatirten bö8willigen Brandlegungen fühle ih mih veranlaßt, die Behörden aufzufordern, mit verſhärftem Eifer nah den Urhebern der Brände zu fahnden und namentli< alle ſolhe Perſonen ſcharf zu überwachen, die man einer ſolhen That für verdächtig halten könnte, wobei alle gutgeſinnten nnd loyalen Einwohner die Bemühungen der Behörden unterſtüßen mögen.“

Rußland war demnah noch lange nicht auf dem Punkte, ſeine ehrgeizigen Abſichten auf das

türkiſhe Reich mit Ausſicht auf Gewinn zu verfolgen, und dieſem Umſtande iſ es wohl zum großen Theile zu danken, daß mit Ende des Jahres 1874 eine trügeriſhe Ruhe in der orientaliſ<hen Frage eintrat.

Nun war es Spanien, das eben den Sohn Jſabella's wieder auf den Thron berufen hatte, welhes die Aufmerkſamkeit der europäiſchen Diplomatie in Anſpru< nahm.

Während des S$tillſlandes.

Die Podgoriza-Affffaire ſchien erledigt und in der orientaliſhen Frage wieder ein Stillſtand einzutretèn, der tiefen Ruhe gleich, die jedem Gewitter voranzugehen pflegt. Europas Aufmerkſamkeit beſchäftigte ſi< zumeiſt mit Spanien, das den Sohn Fſa bella's, Alfonſo, auf den Thron gerufen hatte, um deſſen Beſiß Don Carlos von Bourbon im Norden des Landes einen erbitterten Krieg führte.

Eine Petersburger Depeſche warf den erſten Funken in das Pulverfaß.

Der Czar — hieß es in derſelben — habe ſich beim Empfange des diplomatiſchen Corps ganz laut zum türkiſhen Botſchafter geäußert, daß die Pforte die verderblihen ConſequenzenihrerunvernünftigenHandlungs- weiſe zu tragen haben werde. Es ſollte weiters gar Fürſt Gortſchak off dem Vertreter des „franken Mannes" bedeutet haben, „daß er ihn perſönlich haftbar machen wolle, wenn die Pforte niht vernünftiger werde“.

Judeſſen nahm man dieſe draſtiſhen und nicht eben ſehr wahrſcheinli<h flingenden Mittheilungen allſeits nur mit großer Reſerve auf. Wie rei auh die politiſche Zeitgeſchichte an Ueberraſchungen der ſtärkſten und unglaublichſten Art iſt, ſo konnte man doh vorweg kühnli<h neun Zehntel dieſer Petersburger Schauergeſchichten als Schwindel bezeihnen und den Reſt no< immer nur etwa als eine kleine Uebertreibung gelten laſſen. Kaiſer Alexander mote an den türkiſchen Botſchafter möglicherweiſe einige Worte ernſter Ermahnung gerihtet haben, um perſönli die Bemühungen ſeiner Diplomatie zu unterſtüßen und der Pforte die unausweihli<he Nothwendigkeit einer nachgiebigen Haltung nahezulegen. Aber, darüber hinaus anzunehmen, daß der Czar und ſein Kanzler Ausdrü>e gebraucht hätten, wie man ſich ihrer im diplomatiſchen Verkehr denn do< nur am Vorabend einer Kriegserklärung zu bedienen pflegt dazu berehtigte vorerſt niht das geringſte Anzeichen. Rußland war allerdings kein Freund der

Pforte, und der Drei-Kaiſer-Bund hatte ſi befanntlih ebenſowenig das Ziel geſeßt, dem Reiche des Sultans ſeine Unterſtüzung zu leihen; dem BVerlauten zufolge ſollte der Pariſer Vertrag „neu interpretirt“ werden, und es ließ ſih ſo ziemli< zuſammenreimen, daß dieſe Petersburger Deutung nur den troßigen Halbvaſallen des Großherrn zugute fommen würde.

Es ſcien indeſſen doh nur, als ſollte der Auflöſung8proceß des „kranken Mannes“ einſtweilen blos auf diplomatiſchem Wege gefördert werden ; der montenegriniſhe Schrekſ<huß wurde einfach als Preſſionsmittel benöthigt, und ſelbſt wenn die aus England ſtammenden Senſations-Meldungen ganz unerwarteterweiſe do< ein Körnlein Wahrheit enthalten hätten, würde ihr bedenklicher Charakter nur eine bereits überwundene Epiſode markirt haben. Der Telegraph ſchien fi< eben um zwei bis dreimal vierundzwanzig Stunden verſpätet zu haben, was in politiſchen Dingen freilich eine kleine Ewigkeit iſt.

Die Folge lehrte es auh, daß dem nicht anders ſei und daß dieſe Senſations-Depeſhe ihren Hauptgrund wohl nur in der eigenthümlichen Stellung fand, wel<he England Ende Januar 1875 Oeſterrei< gegenüber einzunehmen für gut fand.

Von den Kreideküſten Albions ſcallte ein Wort nach Oeſterreich herüber, wel<hes das Reich mit impertinenter Verſtändlichkeit belehren ſollte, daß die politiſchen Kreiſe Alt-Englands es aufgegeben hätten, Oeſterreich, wie ehedem, unter allen Umſtänden als „natürlichen Alliirten“ zu betrachten. Man warf nämlich von dort her dem „erſt kürzlich beſiegten und noh“ desorganiſirten Oeſterreich“ vor, daß es „aus bloßer Großthuerei“ eine anmaßende Haltung und eine Bedrohung der Pforte affectire. Veranlaßt wurde dieſer Ausfall wohl nur dur< Oeſterreihs niht mehr im ausgefahrenen Geleiſe ſi< bewegende Orient-Politik, die endli< aufgehört hatte, das an der Themſe ausgegebene Schlagwort als einzig giltige Richtſhnur