Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

Abfindung kam der Türkei nicht theuer zu ſtehen und die Fdee derſelben konnte gar auf das Conto der liſtigen ruſſiſ<en Freunde Oeſterreichs geſeßt werden. Man weisſagte Eſſad Paſcha nur ein furzes Regiment und bezeichnete {hon jetzt Mahmud als ſeinen Nachfolger. Geſchah dies, dann war die Pforte ganz in den Händen Rußlands, und man hatte in Wien niht eben Grund, der Liebens8würdigkeit des Fürſten Gortſchakoff allzu viel zu vertrauen.

Bon anderer Seite wurde der Sturz Huſſein Av ni's anderen Motiven zugeſchrieben, und ziemli<h glaubwürdige Berichte aus Conſtantinopel meldeten, es ſei no< am Tage vor ſeinem Sturze der Großvezier ſo feſt von ſeinem Verbleiben im Amte überzeugt geweſen, daß er ſeine Pläne mit Bezug auf die in der Armee einzuführenden Verbeſſerungen und beſonders auf das projectirte JZuſtructionslager bei Adrianopel entwielte, wozu er als geweſener Kriegsminiſter die vollſte Befähigung beſaß. Der Sultan hatte auh gerade wegen ſeines organiſatoriſhen Talents in militäriſchen Dingen ſein Vertrauen auf ihn geſeßt und alle von verſchiedenen Seiten gemachten Verſuche zu ſeinem Sturze würden deshalb auh gewiß fehlgeſchlagen ſein, wenn niht gerade da, wo ſeine Stärke lag, ein Fehler entde>t worden wäre. Ein Contract auf Lieferungen von 8000 Mann war in den Rechnungen als für 58.000 Mann abgeſ<loſſen eingeſtellt und dies wurde dem

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Sultan hinterbraht. Die Wirkung war eine augenbli>li<e, und als der nihts ahnende Großvezier am nächſten Morgen die Pforte beſuchte, wo ſih der Staatsrath verſammelte, wartete ſhon ein Bote, um ihm ſeine Ungnade anzukündigen und Eſſad, den Marineminiſter, in den Palaſt zu berufen. Die nun folgende Scene wird als hoch intereſſant geſchildert. Die Aufregung war dur<h drei Stunden eine außerordentliche. Von den Fenſtern der Pforte läßt ſi<h deutlich jene Uferſtre>e des Bosporus überbli>ken, wo der kaiſerliche Palaſt ſteht, und Aller Augen waren dahin gerichtet, um die Abfahrt des Staats-Kaiks (Galeerenſhaluppe)zu beobachten, welcher den neuen Großvezier bringen ſollte. Von Zeit zu Zeit kam ein ſchneller Kaik mit den lebten Nachrichten, daß ſi<h Eſſad Paſcha dem Sultan zu Füßen geworfen und ihn um Befreiung von der ihm zugedahten Beſtimmung gebeten habe, was gar Manchem, der vielleiht hoffen durfte, ſelbſt berufen zu werden, das Herz raſcher ſ{<lagen machte. Bald verlautete wieder, daß ſhon der Eine oder der Andere in den Palaſt citirt worden ſei, als man nah“ mehr als drei Stunden der Erwartung den Staats-Kaik von den Stufen des Palaſtes abſtoßen ſah und bald darauf der neue Gro ßvezier in Begleitung des Scheik-al-Fsla m (türkiſcher Oberprieſter) im großen Staat gefahren fam.

Die Kaiſer-Veiſe in Dalmatien.

Mit Ende April unternahm Kaiſer Franz Foſef I. eine Reiſe nah Dalmatien, um Land und Leute aus eigener Anſchauung kennen zu lernen.

Die Aufnahme der Monarchen war überall in dem von Parteileidenſchaften zerwühlten Lande eine glänzende; brauſender Fubel begleitete Schritt ſür Schritt den Weg des Herrſchers. Aber hie und da fiel do< ein Mißton in die feſtliche Stimmung. Beſonders in Sebenico waren, während der Anweſenheit des Kaiſers, die Erregung der Gemüther und die Parteileidenſhaft in ſteter Steigerung. Sonntag nah der Abreiſe des Kaiſers beabſichtigten die Morlaken (ſerbiſchcroatiſhen Bewohner des nordöſtlihen Theiles von Dalmatien, ſehr tüchtige Seeleute) die Theatervorſtellung zu ſtören; ſie kamen in geſchloſſenen Maſſen dahin, beſetzten alle Pläte im Parterre, wurden aber in der Ausführung ihres Vorhabens dur< die Anweſenheit der Gemahlin des Statthalters, Baronin R odi <, welche bei den Morlaken in großer Achtung ſteht, ge-

hindert. Nach der Vorſtellung zogen die Maſſen vom Theater in das Caſino der autonomen Partei, do< ganz unbewaffnet, nur mit der Abſicht, einfa< zu demonſtriren. Sie occupirten faſt ſämmtliche Tiſche und verlangten Kaffee, was der Cafétier verweigerte, indem er darauf hinwies, daß er nur Mitgliedern des Caſinos Getränke und Erfriſchungen verabreihen dürfe. Darauf wandten ſi< die Demonſtrirenden an Mitglieder des Caſinos, wel<he den Cafétier anwieſen, das Gewünſchte zu verabfolgen. Noch weitere Demonſtrationen waren beabſichtigt, und wäre es durh das Dazwiſchentreten von Gendarmen, welche die Morlaken aus dem Kaffeehauſe entfernen wollten, zu ernſteren Scenen gekommen, wenn dieſe niht dur< Fntervention beſonnenerer Parteiführer und freundliches Zureden des Bezirkshauptmannes im Keime erſti>t worden wären.

Am 2. Mai war abermals das Gerücht verbreitet, daß eine Wiederholung dieſer Demonſtration beabſichtigt ſei; man ſpra< davon, daß an dreihundert Morlaken ſi<h zuſammen-