Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten, page 686

G9

einzuladen pflegen als die höflihen Wiener Einſpänner, ſind meiſtentheils Fuden. Wir laſſen uns verlo>en, ein derartiges Gefährt zu beſteigen, und bedeuten dem Berschar (Kutſcher), deſſen ſingendes Polendeutſ< uns nahezu unverſtändlich iſt, er möge uns längs des Quais ſpazierenfahren na< Oſten bis zum Bahnhofe.

Ein eigenthümlihes Gemiſch von Civiliſation und Naturwüchſigkeit entfaltet ſi< allenthalben an dieſem Ufer. Die Schilder- und Firmenaufſchriften der Häuſer repräſentiren faſt alle Hauptſprahen der Welt, vom Deutſh an bis zum Arabiſchen; die Verkehrsſprahe iſ aber noh immer die von den Venetianern oder Genueſen überfommene Lingua Franca (Franfkenſprace). Jn der ganzen Breite zwiſchen Gala und Reni ift völlig unwegbares Terrain, weil es durchaus von den willkürlihen Ergüſſen des Pruth occupirt wird. Dieſer iſ jedo< inſoferne von Wichtigkeit für Galas, weil auf ihm große Holzvorräthe herabgeflößt werden ; im Fnnern des Landes iſt das Holz ſeit Fahren Gegenſtand einer RaubAusbeutung ohnegleichen, welche gegenwärtig {on eine totale Verwüſtung zur Folge gehabt und den einſtigen Ueberfluß bedeutend beſchränkt hat. Große Holzmagazine, deren Material meiſtentheils der Bukowina entſtammt, befinden ſi< unterhalb des Hafens. Die Flachwaſſer und Moräſte machen die Gegend, deren alleiniges Trinkwaſſer ohnedies der Donau entſtammt, zu einer durhaus ungeſunden, fieberbringenden. Um ſo unbegreifliher mußte es erſcheinen, daß gerade am Rande derſelben die Ruſſen im Fahre 1828 ein großes Hoſpital errihtet haben, deſſen zerfallene Reſte, halb im überwuchernden Unkraut verborgen, lange Zeit hindur< in einer Art abergläubiſher Scheu von den Einwohnern gemieden wurden. Am 7. Mai des vorgedahten Jahres hatten die Ruſſen unter dem Vorwande des Bruches der Verträge von Kainardſchi, Faſſy und Bukareſt, ſowie der Nichterfüllung der Convention von Akfjermann ſeitens der Türken den Pruth überſchritten und von den Fürſtenthümern Moldau und Walachei Beſitz ergriffen. Eine zweite Beſezung der Stadt Galatz dur die Heere des Czars fand ſtatt von 1848 bis 1851, eine dritte von 1853 bis 1854; in dem lebteren Jahre ward ſie durch die Oeſterreicher beſeßt, welche bis 1857 daſelbſt verweilten. Die Leßteren ſtehen no< heute daſelbſt im beſten Andenken; von den Anderen — ſ<weigt oder vielmehr redet die Geſchichte. ;

Unmittelbar bei der Stadt Galat iſ die Donau wenig breit; ein Kahn trägt bequem in fünfzehn Minuten hinüber auf das türkiſche Ufer ; dort giebt es ni<ts als Amaranthen, Diſteln, Sandkletten, Ginſter, ohne ſonſtigen Strauch und Baum; dort beginnen die bedeutenden Gebirgszüge, Ausläufer des Balkans, welhe Galaßt gegenüber ſi<h erheben uud von Weſt na<h Oſt

die Dobrudſcha durchziehen, während thatſächlih auf vielen ſehr orographiſhen (Gebirgs-)Karten leßtere dur<haus als ein Flachland, ſogar als eine ſumpfige Niederungsgegend bezeihnet wird.

Und nun ſollten die Ruſſen ein viertes Mal in Gala einziehen.

Die Ruſſen hatten bereits am 23. April, alſo no< vor der Kriegserklärung, die rumäniſche Grenze überſchritten, und zwar an drei Punkten, nämli<h bei Ungheny, Beſchtomak und Kubni, und hatten die Barboſhi-Brüd>e beſeßt. (Der ruſſiſhe Oberfeldherr meldete zwar, ſeine Koſaken hätten erſt Dienſtag Früh, den 24., die Grenze überſchritten.) Der Zwe> des Ueberganges bei Ungheny bedarf wohl keiner Erklärung. Die Ruſſen wollten ſi< eben raſ< in den Beſiß von Jaſſy und der von dieſer Stadt nah Galaß führenden Bahn ſeßen. Der Uebergang bei Beſchtomak bezwe>te in erſter Linie die Sicherſtellung der Brücke bei Leowa und in zweiter Linie die Beſezung von Berlat, der Endſtation einer in Tekutſ< von der Bahnlinie Jaſſy-Galaß nah Nordoſten abzweigenden Zweigbahn. Dur den Vormarſch von Kubni endlich ſollte ſo raſh als mögli< Galaß und der ſtrategiſhe überaus wichtige Bahnknoten von Barboſchi erreiht und die dortige Brücke gegen einen türkiſhen Ueberfall geſihert werden.

An demſelben Tage rü>te die ruſſiſche Vorhut in Faſſy, Leowa und Gala ein. Bevor aber die erſten Koſaken die lebtgenannte Stadt erreiht hatten, waggonirte ſi< eiligſt um zwei Uhr Nachmittags die rumäniſ<he Garniſon von Galaß ein und fuhr gegen Bukareſt. Zwei Stunden darauf ritt dur< die Barriere von Reni eine ruſſiſhe Vorhut, aus 500 Koſaken beſtehend, in Gal aß ein. Der rumäniſche Präfect machte dem ruſſiſchen Commandanten ſeine Reverenz. Der ruſſiſche Befehlshaber ſagte dem rumäniſchen Beamten, er hätte Befehl, ſi< den rumäniſchen Autoritäten zur Verfügung zu ſtellen. Der Präfect erwiderte, daß er von ſeiner Regierung keinerlei Weiſungen erhalten habe. Die Koſaken marſchirten darauf directe nah Barboſchi dur. Kein Manifeſt erfolgte ſeitens der Ruſſen, keinerlei Kundgebung ſeitens der rumäniſchen Regierung bis zu dieſem Zeitpunkte an die Bevölkerung von Galaß. Jm Augenbli>e des Einzuges der Ruſſen hißten alle Conſulate ihre Flaggen. Viele Familien paten ein und reiſten fort. Allgemein wurde gefürchtet, daß die Stadt von den Türken bombardirt werde, weil in Galaß thatſähli< keine andere Beſaßung geblieben war als 400 Milizen und die ſtädtiſche Garde.

Tags darauf, Mittwoch den 25. April, um 2 Uhr Nahmittags, ſtrömte eine Unmaſſe von Bevölkerung aus allen Schihhten der Geſellſchaft auf die Höhe zum Militärſpital, wo man die Straße von Reni überſchauen kann. Von dort