Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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Ghiacet aus fing der dritte Theil der Brücke an. Das waren die verſchiedenen Bockbrüken, die längs des türfiſ<hen Ufers, 1*/, Kilometer lang, mit wenigen Unterbrehungen auf der Straße nah Matſchin errichtet waren. — Troß aller Ueberbrü>ung und angeſtrengter Arbeit, um ſich einen nur nothdürftig fahrbaren Weg nach - Matſchin zu ſchaffen, war es denno<h unmöglich geweſen, bei dem no< ſehr hohen Waſſerſtande Truppen (Artillerie, Jufanterie, Train 2c.) auf dem Landwege nah Matſchin zu bringen, ſo daß die Brücke bis dahin nur dazu gedient hatte, einige hundert Koſaken paſſiren zu laſſen, die mit Lebens8gefahr und mit ihnen eigener Tollfühnheit dur< das überſhwemmte Terrain, halb reitend, halb ſ{wimmend na< Matſchin kamen, und dort ſi< rühmten, daß nur ihre Mügen tro>en geblieben wären, was ihnen gern zu glauben war. Die Ambulanzwagen und Fnfanterie-Abtheilungen, die nur der Form wegen über die Brücke geſet waren, ſtanden noch bei Ghiacet und warteten auf das Fallen des Waſſers und auf die Reparirung der Straße, an der von beiden Seiten mit allen Kräften gearbeitet wurde. Der Uebergang wurde alſo in eine NUeberfahrt verwandelt.

Das Borodiniſche und das Farudiniſche Regiment und eine Batterie wurden auf Dampfſchiffen, Booten, Schlepps und anderen Fahrzeugen aller Art eingeſchif und fuhren um zehn Ühr na< Matſchin ab, während die Galaßer Abtheilung auf dem Kamme der Berge, dieſen Bewegungen folgend, au< auf Matſchin marſchirte und ſo die Ueberfahrt ſicherte. Zwei Kutter, von Murgescu und Dubaſchof f befehligt, fuhren an beiden Ufern des Canals voraus, um etwaige Torpedos aufzufiſchen; die anderen Fahrzeuge folgten. Nach drei Stunden kam die Landungsflottille vor Matſhin an. Major Murgescu ſtieg auf den Dampfer „Stefan der Große“ und dampfte unter den Klängen der Muſik auf den Landungsplay zu. Dort erwarteten ihn die Geiſtlichkeit der criſtlihen Gemeinde im Ornat, viele Bulgaren und andere Einwohner, darunter au< einige Türken. General Zimmermann landete mit ſeinem Stabe zuerſt, und nachdem die Truppen ausgeſchifft waren, wurde ein Tedeum veranſtaltet und in der größten Ordnung von den Regierungsgebäuden Beſiß genommen. Nachmittags um fünf Uhr fuhren die Schiffe nah Braila zurü>, um zu einem anderen Truppentransporte ſi< vorzubereiten.

Matſchin iſ reizend am Abhange eines dicht bewaldeten, 800 Fuß hohen Berghügels gelegen. Gut gepflegte, und mit Frucht tragenden Bäumen bepflanzte Gärten umgeben das Städthen und die Häuſer. Die Hauptſtraßen ſind Chauſſeen und die Regierung8gebäude ſind ſehr gut gehalten. Der befeſtigte Ort Matſchin war noh in dem Feldzuge von 1828 und 1829 von großer Bedeutung geweſen, inſoferne er gewiſſermaßen den Brückenkopf von Braila bildet und beide Feſtungen ſi gegenſeitig unterſtüßen und verſtärken konnten, beſonders ſo lange eine Flottille auf der Donau ihre Verbindung ſicher ſtellte, Die Feſtung Matſchin lag auf einem gegen die Donau vorſpringenden und unmittelbar gegen den Fluß ſteil abfallenden Höhenrücken, welcher weſtlich dur< eine ſumpfige, ungangbare Niederung gede>t wird. Die ſehr bedeutenden Berge, welche ſi ſüdöſtlih von dem Plab in za>igen Spitzen erheben, ſind zu entfernt, um demſelben ſ{hädli< zu ſein. Das Terrain ſenkt ſi< von ihnen her ſanft gegen die Feſtung und bildet gegen Oſten eine völlige Ebene. An dem hohen nördlichen Abſturz zur Donau erhob ſih die Citadelle auf einem Granitblo>. Dieſelbe beherrſchte die Stadt mit ihren Wällen, das vorliegende Terrain und die Donau mit den Jnſeln im Bereiche des wirkſamen Kanonenſchuſſes. Bei der geringen Ausdehnung der Umwallung war ſelbige von der hohen Citadelle überall, nicht nur mit der Wallflinte, ſondern ſelbſt mit dem gewöhnlihen YJnfanterie-Gewehr beherrſcht, o daß es dem Angreifer faſt unmögli<h geworden wäre, ſi< dort angeſihts der Citadelle zu logiren, während andererſeits ni<ts gegen dieſe unternommen werden konnte, bevor die StadtUmmwallung erobert war. Die natürliche Feſtigfeit dieſes Plates iſt no< geſteigert worden dur die türkiſchen Kriegsſchiffe, die, wenn auh nicht mehr in dem Braila und Matſchin geradlinig verbindenden Canal, ſo do< in dem ſüdli<h von Matſchin laufenden Theile desſelben ſi<h frei bewegen können, theils dur< die neuen Batterien, welche von den Türken im Norden von Matſchin angelegt worden ſind. Es iſt angeſichts dieſer Defenſiv-Factoren eine Unbegreiflihkeit, daß weder von Seite der erſteren noh der letzteren irgend etwas geſchah, um die ruſſiſhen Kanonenboote, wel<he von Braila aus den Canal bis unter die Kanonen von Matſchin recognoscirten, und die ruſſiſhen Landtruppen zurü>zutreiben, welche an dem erhöhten Fnſelrande von Getſched landeten, dort eine Batterie errihteten, und jeßt Miene machten, über das den Gawan- (oder Targan-) See mit dem Matſchin-Canal verbindende Flüßchen zu ſegen und nördli<h von Matſchin in die Dobrudſcha einzudringen. Dieſe Paſſivität der Türken erklärte ſich wohl nur dur die Vermuthung derſelben, es ſei ruſſiſherſeits nur darauf abgeſehen geweſen, ſie dur< die Demonſtration gegen Matſchin zu einer Zerſplitterung ihrer Streitkräfte zu verlo>en und ſie von ernſtlihen gefährlihen Punkten abzuziehen.

Der erſte Schritt über die Donau war den Ruſſen vollkommen, und mit geringerem Verluſte,