Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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der Riſtics und Genoſſen nicht feige das Ohr verſchließen.

Trug nun der Fürſt den nationalen Wünſchen ni<t Rehuung, ſo war ex beinahe no< ärger daran als im gegentheiligen Falle. Der mächtige Geheimbund der Omladina hatte ſeine Verbindungen mit der vertriebenen Familie Karageorgiewitſ< niemals unterbrochen, und der Enkel des Milo #\< mußte beſorgen, eines {önen Tages wieder gütli<h auf dem Throne „abgelöſt“ oder gar wie ſein Vater Michael dur<h eine Blutthat aus dem Wege geräumt zu werden. Daß in Serbien fortwährend conſpirirt werde, war bekannt, und Fürſt Milan durfte eher den Zorn des Sultans als die Feindſeligkeit ſeiner Unterthanen gegen ſich herausfordern. Die kaiſerlihen Protectoren der Rajahs und Vaſallenländer konnten \{<ließli< doh niht umhin, im äußerſten Falle die ſerbiſche Selbſtſtändigkeit zu {hüten und eine Beſetzung Belgrads durch türkiſhe Truppen hintanzuhalten. Unter dieſen Umſtänden war es niht unmöglich, daß der Fürſt ſi< zu der Berufung eines Cabinetes Riſtics entſcheide. Die Folgen einer ſolchen Wahl für die Entwickelung der Dinge im Orient waren leiht vorauszuſehen. Die Herzegowina gerieth immer mehr und mehr in Flammen, Bosnien war von der Feuersbrunſt ergriffen, Montenegro nahm factiſ< ſhon an der Fnſurrection Theil, unter den katholiſ<hen Albaneſen herrſchte eine bedenklihe Gährung, nun hatte die Actionspartei auh in Serbien die Oberhand gewonnen und die Zuſtände der Balkan-Halbinſel gewannen von Tag zu Tag ein trüberes und verhängnißvolleres Ausſehen.

Die Situation des Aufſtandes in Bosnien war eine weit weniger günſtige als jene in der Herzegowina. Die Auſfſtändiſchen waren daſelbſt zum Theile nur mit Beilen bewaffnet und ſuchten, unter dem Commando des ſeiner Bravour halber im ganzen Lande berühmten Führers Peko Schuß in dem Bolja-Gebirge unweit Koſtajunißza.

Die träge, halb türkiſche, halb ſlaviſche Bevölferung, welhe dort zwiſchen den Gebirgen wohnte, ſhmachtete unter dem entſeßlihen Drucke der türkiſchen Herrſchaft. Ein ewiger Streit zwiſchen griechiſchem Chriſtenthum und Mohammedanismus ließ die Leute niht zur Ruhe kommen und verhinderte beharrli<h die Entwickelung europäiſcher Geſittung untex dieſen beinahe no< ganz rohen Völkern, deren große Verkommenheit ſih in der tyranniſhen Behandlung derFrauen am eclatanteſten offenbarte. Die dominirende Stellung und das anmaßende Auftreten der Türken Andersgläubigen gegenüber hatte hier den Culminationspunft erreiht. Die Moslems, von denen die wenigſten Teſen und ſchreiben können, hatten niht nur die Steuern und Abgaben in Pacht, fondern entſchieden au< ohneweiters in größeren und fleineren Proceſſen und ſandten bei jedem Ver-

gehen ihre Segmene (Art Gerichtsdiener), um von dem Schuldigen die Geldbußen einziehen zu laſſen. Nux äußerſt ſelten geſ<hah es, daß ein Chriſt nicht für ſchuldig erklärt und zu einer Geldbuße, welche der Kadi (Nichter) einzieht, verurtheilt wurde, denn da bei allen Rechtsfällen zwei Zeugen nöthig ſind, ein Chriſt aber gegen einen Türken kein Zeugniß ablegen durfte und au< ſ{<wer einen Türken fand, der geneigt geweſen wäre, gegen einen ſeiner Glaubensgenoſſen aufzutreten, ſo wurde faſt immer der beliebte Grundſaß der türkiſhen Richter: „Ein Türke weiß mehr als tauſend Chriſten“, als entſcheidend angenommen.

Die ſ<limmſte Plage für die Bauern in Bosuien, wie auh in der Herzegowina, war der Frohndienſt, der troy aller „Reformen“ noh nicht ganz abgeſchafft werden konnte. Nicht nur die Männer, ſondern auh die Frauen mußten ihrem „Herrn“ das ganze Fahr hindurch unentgeltlich dienen. Jhr eigenes Gewerbe mochte zu Grunde gehen, wenn ſie das des Herrn zu beſtellen hatten, und war gerade nichts auf dem Felde zu thun, ſo mußten ſie im Hauſe des Herrn Dienſte verrihten oder dem Herrn jagen helfen. Dabei heimſte der Herr gewöhnli<h die ihm zufallenden Naturalien nicht zur gehörigen Zeit ein, ſondern wartete, bis die Getreidepreiſe ſtiegen und er für das etwa Fehlende den höchſten Preis verlangen konnte. Auch kam es faſt jedes Fahr vor, daß er dem einen oder dem anderen ſeiner Bauern kündigte und dieſer ihn dann mit Aufopferung einer Kuh oder eines Ochſen beſänftigen mußte. Ebenſo erhielt der Herr einen Ochſen, wenn in Folge eines Todesfalles eine Theilung ſtattfand, und ſtarb der Stareſichna (Aelteſte der Familie), ſo mußte der allerſhönſte Ochſe des Stalles ausgeſucht und dem Herrn hingeopfert werden. Kam der Herr zur Jagdzeit, ſo mußten die Bauern niht. nur ihn, ſondern au< ſeine ſämmtlichen Wind- und Spürhunde und obendrein alle Fagdfreunde, die er mitbrachte, ernähren ; dabei mußten ſie ſi< gefallen laſſen, daß ihre Saat oder das reihe Korn unbarmherzig zertreten wurde. Auch requirirten die vornehmen Türken, wenn ſie bauen oder andere größere Arbeiten verrichten ließen, wozu ihre eigenen Bauern nicht ausreichten, ohneweiters die erſten beſten anderen, und wer ſih erfühnte, Einwendungen zu machen, dem wurde geantwortet: „Na, Wlach! Hier ſchlägt keine Glocke, dieſes iſt ein türkiſhes Land!“ Oder es hieß: „Gott hat den Türken den Rajah verliehen, damit er ihnen diene!“ — Genügten dieſe Worte nicht, um den Rajah zu bekehren, ſo half die Drohung einer Ofindia, das heißt: der empfindlihen Rache bei näcſtbeſter Gelegenheit. Der Rajah wußte nur zu gut, was das zu bedeuten hatte.

Die hier kurz geſchilderte Lebensweiſe, die Bedrückung und Knectung eines Volkes, welches