Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

linken Donauufer verſprehen und in eine neue Regelung der Verhältniſſe Serbiens und der Donau-Fürſtenthümer willigen, welche dem ruſſiſchen

Einfluſſe in denſelben nahezu unbeſhränkten Spiel-

raum gewährte.

Jn den Kämpfen gegen Mehemed Ali, den aufſtändiſhen Vicekönig von Egypten, drang Rußland in klug bere<hnender Weiſe dem hartbedrängten Sultan ſeinen militäriſ<hen Beiſtand zum Schuße der Hauptſtadt, zuglei<h aber den Offenſiv-Vertrag von Huukiar-Fskeleßi auf, der das ruff}ſiſhe Uebergewicht befeſtigte und die Türken ſogar in Conflict mit den Weſtmächten brachte, welche das fortwährende Steigen des ruſſiſchen Einfluſſes nux mit mißtrauiſhen Augén wahrnahmen. Erſt unter Abdul Medjid (geb. 18253,

Regent ſeit 1839) wurde die egyptiſche Angelegenu-.

heit mit Hilfe einer von Rußland, England, Oeſterreih und Preußen zu Gunſten der Pforte geſhloſſenen Quadrupel-Allianz ausgetragen, und nun verſuchte. es der Großvezier Reſchid Paſcha, das türfiſhe Reih dur< innere Reformen zu europäiſiren und von dem, in immer drü>enderer Weiſe auftretenden ruſſiſchen Einfluſſe zu befreien. Im Fahre 1839 erfolgte die Verkündigung, des Hatiſcherif | (Reſcript des Sultans) von Gülhane, einer Art Grundgeſeb, welches die Principien der neuen Geſeßgebung, Rechtsgleichheit und Glaubensfreiheit feſtſtellte. Von da an machte ſih der wachſende Einfluß Englands auf die Entſchließungen der Pforte bemerkbar, die nun ernſtli<h Stellung gegen Rußland zu nehmen begann.

Die von Louis Napoleon ün Fahre 1851 angeregte Frage über die heiligen Stätten bot Rußland Gelegenheit, ſeine überwiegende Stellung dem Divan gegenüber geltend zu machen und Einräumung des Schußrechtes über 10 Millionen griechiſh-katholiſcher Unterthanen der Pforte zu fordern. Nachdem die diesbezüglihen Verhandlungen erfolglos blieben, beſeßte Rußland. die Donau-Fürſtenthümer, was 1854 zum orientaliſchen Kriege zwiſchen Rußland einerſeits und den mit der Pforte verbündeten Weſtmächten andererſeits führte.

Rußland wurde vollſtändig iſolirt und mußte, in Folge der Aufforderung Oeſterreihs, ſogar im Fuli 1854 ſeine Truppen aus den DonauFürſtenthümern wieder zurü>ziehen. Fn der Krim wüthete der Krieg fort, der au<h dur<h den am 2. März 1855 erfolgten Tod - des - Kaiſers Nikolaus niht unterbrochen wurde, ſondern erſt, nachdem im. September desſelben Fahres Sebaſtopol gefallen, mit dem 1856 erfolgten Friedens\<hluſſe von Paris ſeinen vollkommenen Abſchluß fand: Rußland mußte die Donau-Mündungen und einen Theil von Beſſarabien abtreten und die - Neutralität des Schwarzen

Meeres einräumen. Die Türkei wurde auf Grund des Hatihumayums vom 18. Februar 1856 (einer Beſtätigung, Erweiterung des Hatiſcherif von Gülhane) in die europäiſhe Völkerfamilie aufgenommen.

Troß dieſes Erfolges beſſerten ſi<h die Zuſtände in der Türkei nicht: das Reich verfiel in immer größere Schwäche und Zerrüttung und der Spottname: „der kranke Mann“ war in vieler Hinſicht kein ungere<htfertigter. Abdul Medjid ſtarb 1861. Sein Nachfolger Abdul Aziz ſuchte anfangs dur< Vereinfahung der koſtſpieligen Hofhaltung und Beſchränkung der Verwaltungs-Ausgaben den Finanzen etwas aufzuhelfen ; bald aber fam Alles wieder in das alte Geleiſe. Der* Beamtenwillkür wurden keine Schranken geſetzt, die öffentlihe Unſicherheit, die \hle<te Juſtizpflege und eine immer mehr einſchneidende Verrottung aller Verhältniſſe waren niht zu bemeiſtern, und ein fur<tbarer Steuerdru> führte zur Verarmung aller Provinzen. Bosnien und die Herzegowina waren faſt in ſtetem Aufſtande und wurden nur mühſam niedergehalten. Ein Erfolg der Pforte war die Demüthigung Montenegros, das 1862 gezwungen wurde, die türkiſhe Oberhoheit anzuerkennen. Schon 1866 hatte die Pforte abermals mit einem Aufſtande, jenem der Kandioten (Bewohner der JFnſel Kandia) zu thun, welcher ſogar zu Verwi>elungen mit Griechenland führte, die erſt 1869 auf den europäiſchen Conferenzen zu Paris beigelegt wurden.

Der Reformen im Fnnern waren nur wenige, und ſelbſt dieſe wurden nur -auf dem Papiere durchgeführt. Rußland ſuchte den Einfluß, den Oeſterreih in den ſlaviſchen Provinzen der Pforte beſeſſen und mit Strömen von Blut erkauft hatte, immer mehr und mehr zu verdrängen, und die Politik, welche die öſterreichiſhen Diplomaten verfolgten, gab ihm genügende Handhaben zur Verwirklichung ſeiner Abſicht.

Als noh der Stern des Prinzen Eugen in den Niederungen der Theiß und Donau wie ein glänzendes Meteor weithin leuchtete, da war es anders. Obwohl Prinz Eugen kein Oeſterreicher war, verſtand do< er, wie Niemand vor und nach ihm, die geheimſte Regung der öſterreichiſchen Herzen. Zu einer Zeit, die den erlauchten Träger der römiſch-deutſhen Kaiſerkrone aus dem Hauſe Habsburg no< in ſämmtliche großen und kleinen Welthändel verwi>elt hatte, erkannte der Prinz, daß dem öſterreichiſchen Staaten-Complexe die Erweiterung der Greuzen au der Donau abwärts Lebensbedingung ſei, und fo trug er ſein- Schwert über die trennenden Flüſſe hinüber, niht nux den Halbmond bekämpfend, ſondern auh überall dort Freunde werbend, wohin ihn ſein Siegeslauf trug.

ÉE