Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

Es war zu jener Zeit, als ſi< der Patriarh Arſenius mit -den Borfahren jener Sevben, welche heute in“ dihten Maſſen die ‘ſüdöſtlichen Comitate Ungarns bewohnen, unter öſterreichiſchen Schuy ſtellte; es erkanüte der eingewanderte Patriar< und ſeine gläubigen Schaaren den „déutſhen Czar“ in der alten Kaiſerſtadt an der Donau, die ſi< no< kurz vorher (1683) von den wilden Horden des Großtürken hart bedrängt geſehen, als einzigen Hort. Es blieb auh \o während vieler Generationen und die Serben bewahrten ihre Treue und Anhänglichkeit, o daß der Kaiſer in Wien bei jeder Gelegenheit auf ſie zählen konnte.

Was wurde aber ſpäter aus dieſer hoffnungsvollen Saat des Prinzen Eugen? Die Bewohner jener fruchtbaren Gefilde, die ung ariſchen Serben haben heute ihren Angelpunkt in Beſlgrad, es ziehen die diesſeitigen Serben nicht mehr ihre Stammesbrüder im Fürſtenthume Serbien an, vielmehr werden ſie von ihnen angezogen. Genau ſo verhält es ſich mit den Rumänen des Temeſer Banates und Siebenbürgens, wel<he — obſchon ſie nah Millionen zählen — nah Bukareſt hinüber neigen. Forſcht man nun na< der Urſache dieſer Gravitirung, ſo trifft die Schuld in erſter Reihe wohl nur Oeſterreihs Orient-Politik; Shritt um Schritt hat dieſelbe Eugen's Stellungen wieder preisgegeben und Stein um Stein aus dem Gefüge gebrochen, das der größte Feldherr und Staatsmann Oeſterreihs am Eingange des Oſtens gegründet und deſſen Vollendung er den nachkommenden Geſchlehtern überlaſſen hatte.

Leider haben Oeſterreichs Diplomaten gewöhnlih die türfiſhe Freundſchaft höher geſchäßt als die Zuneigung der Rajahs (Heerde, türkiſche Bezeichnung der der Pforte unterworfenen niht mohammedaniſchen Völkerſchaften); Grund genug, daß es niht anders kommen konnte, als es gekommen iſt, insbeſondere wenn man auh no< den Racenhaß erwägt, der ſih als trennende Scheidewand zwiſhen Magyaren einerſeits und Serben und Rumänen andererſeits aufthürmte.

Berüfſichtigt man die Machtverhältniſſe und die Beziehungen der Länder und Völker an der unteren Donau allein, fönnte man unmöglich ‘davon überraſcht ſein, wenn die kleinen und hilfebedürftigen ſuzerainen Donauſtaaten ſi, wie Küchlein um die Glu>henne, um Oeſterreich drängen würden, - aber dieſem idylliſchen Bilde entſpricht - keine8wegs die Wirklichkeit; ein zu ſcharfer Riß trennt die Ufer der ſcheidenden Ströme, und jetzt iſt es, nah den ſ{hweren Unter_laſſungsſünden der Vergangenheit, zu ſpät, um in Belgrad das verlorene Terrain wieder zu gewinnen. Jt do< der Plat vollſtändig beſebt, und ſeit Graf Beuſt mit einer verblüffenden

Schwenkung eines ſ{önen Morgens die Türken aus den ſerbiſhen Feſtungen hinauscomplimentirte, befindet ſi< Oeſterreih erſt ret in der

“wenig beneiden8werthen Situation jenes Manunes,

der zwiſchen zwei bequemen Seſſeln auf den harten Erdboden zu ſitzen kam. i

Serbien,

als Gegner wohl der mächtigſte unter -den Provinzen der Türkei, folgt in ſeinem Streben na<h Unabhängigkeit nur den alten Traditionen, für welche auch die Väter der jetzigen Generation gekämpft und geblutet haben. y Serbien hat einen Flächeninhalt von 791 [] Meilen mit /1,306.674 Einwohner und umfaßt die von der Morawa durchſchnittene Berglandſhaft zwiſchen Bosnien und der Walachei. Die Bevölkerung beſteht vorwiegend aus Serben, dem fräftigſten und bildungsfähigſten Zweige der Süd\laven ; ein kleineres Contingent ſtellen Walachen, Deutſche, Zigeuner. Der größte Theil der Bevölkerung iſt der Confeſſion nah griechiſ<-katholiſ<h. Serbien wurde, von thraciſhen Völkern bewohnt, furz vor Chriſtus von den Römern unterworfen und,- als illyriſhe Provinz Obermöſien, na< und na< romaniſirt. Anfangs des ſiebenten Jahrhunderts wurde es von den Avaren (ural-tartariſher Stamm), im Fahre 633 von den Serben aus dem öſtlihen Galizien : beſebt, die ſich bald au<h über Bosnien und die Nachbarländer ausbreiteten. Das Reich zerfiel in ſieben Diſtricte, mit Zupanen (Häuptlingen) an der Spibe, über die ein Großzupan als Lehensträger des byzantiniſchen Kaiſers geſeßt war. Um die Mitte des neunten Jahrhunderts wurden die Serben zum Chriſtenthume bekehrt. Blutige Kriege mit den benahbarten Bulgaren koſteten dem Lande große Opfer. Jm Jahre 1018 erfolgte Serbiens Verwandlung in eine byzantiniſche Provinz, aber {hon 1043 vertrieb Stefan Bogislaw die byzantiniſhen Befehlshaber und ſein Sohn Michael nahm (1050—1080) den Titel eines Königs von Serbien an. Unter Stefan Duſchan, der von 1336—1356 herrſchte, folgte die Eroberung Macedoniens, Albaniens, Theſſaliens, Nordgriechenlands und Bulgariens, und Stefan nahm, in Hinbli> auf die bedeutende Ausdehnung des Reiches, den Titel Kaiſer (Czar) an, den jedo< ſein Sohn und Nachfolger Ur o \ < V. ſammt den eroberten Ländern wieder verlor. Unter des Letteren Nachfolger Lazar I. drang Sultan Murad I. in Serbien ein und eroberte dasſelbe trot des tapferſten Widerſtandes. Jn der Entſcheidungsſchlaht am Amſelfelde (Thal bei Koſſowa), am 27. (15.) Funi 1389, wurde Serbiens Geſchi>k entſchieden. Der in der Sqlacht, nah heldenmüthigem Kampfe gefangene Lazar wurde in dem Zelte des Siegers hingerichtet. 1*