Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

Wie es bei Fnſurrections-Häuptlingen gebräuchlich iſt, vereinigte auh Ljubobratitſ< alle Talente in ſihz er war nicht nur ein E Genie, ſondern auh wohl fähig, den Diplomaten zu ſpielen. Für ſein letzteres Talent ſpricht es jedenfalls, daß er im Momente der Entſcheidung fern vom Schauplaße der Gefahr in Cettinje verweilte. Erſt fanden Conferenzen unter den Häuptlingen ſtatt, wobei man zu der Erkenntniß gelangte, daß es- do<h zwe>mäßig ſei, fremde Hilfe in Anſpruch zu nehmen. Demgemäß begab fih auh Ljubobratit\< nach Cettinje, um dem Fürſten von Montenegro das Obercommando anzutragen. Ljubobrakit\<h hatte ſomit eine politiſche Miſſion zu exfüllen und überließ es ſeinen Leuten, den kriegeriſchen Lorbeer unter ſih zu theilen.

Am 29. Auguſt war es der vierte Tag, daß Ljubobratitſ< vom Lager abweſend war. Unter den Juſurgenten herrſhte Verwirrung, die Lage ward eine bedenklihe. Man ſah von den Mauern des Kloſters Duze aus, wie ſtarke türkiſche Truppencolonnen auf zwei Wegen gegen das Kloſter heranrücten. Die Fnſuxgenten waren in Gefahr, zwiſchen zwei Feuer zu kommen, von einer Seite drohte die Beſaßung von Trebinje, von dex anderen die auf zwei Wegen von Nordoſt und Nordweſt anmarſchirenden Truppen. Die Jnſurgenten erwarteten für den nächſten Tag, den 30. Auguſt, den übermächtigen Angriff dex Türken. Es blieh den Juſurgenten noh eine Spanne Zeit: die Nacht vom Sonntag auf den Montag.

Die Verzweiflung machte tollkühn. Mir oslaw Hubmaier, jener Schriſtſeßer aus Laibach, deſſen wir {hon einmal gedachten, wollte ſi<h des Feſtungsthurmes Drieno bemächtigen, damit den «Fnſurgenten eine Zuflucht bleibe. Er verſah ſih mit einex Sprengladung, einer Zündſchnur und wollte ſo eine Breſche in den Thurm legen und den Ueberfall desfelben erwarten. Der Plan mißlang und Hubmaier kam knapp mit dem Leben davon. Am 30. Auguſt, um 12 Uhx Mittags, êrfolgte der Angriff auf Duze Monaſtir. Außer 1200 Mann regulärer Truppen und drei Batterien waren zwei bis drei Tabors irregulärer Truppen aufgeboten worden. Die Fnſurgenten räumten ſ{leunigſt das Kloſter und verſäumten es ſogar, die Vorräthe von Munition und Lebensmitteln zu zerſtören, welche nun den Türken in die Hände fielen.

Jm Falle, als der Juſurrection keine fremde Hilfe wurde, konnte der Schlag bei Trebinje wohl - als ein“ entſcheidender betrachtet werden. Allein, wie die Dinge ſtanden, war Vorſicht in der Beurtheilung der Ereigniſſe geboten. Wirkte doch die Niederlage von Trebinje keineswegs entmuthigend auf Montenegro. Hinſichtli<h der Entſchlüſſe des Fürſten Nikolaus herrſchte in der

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diplomatiſchen Welt keine volle Klarheit. Auf der einen Seite winkte ihm die Erweiterung ſeines Beſitzes und Einfluſſes, ‘auf der anderen Seite hatte er die Ausficht, daß Europa ihm Anerfennung für ſeine weiſe Mäßigung zolle.

Der Fürſt hatte ſicher ein offenes Ohr für die Rathſchläge der Mächte, aber er mußte auh mit ſeinen Montenegrinern re<hnen und das Volk der Schwarzen Berge war ſicher für eine blos moraliſche A die ſeiner harrte, für das Lob der Mäßigung, das ihm zu Theil werden ſollte, ziemli<h unempfängli<h. Es war'au<h möglich, daß Fürſt Nikolaus als Lohn ſeiner Neutralität von dem Sultan die Abtretung eines kleinen Hafens und eines Streifen Landes erwartete. Für ſolche reale Güter beſißkt auh das Volk von Montenegro einiges Verſtändniß. Widerſtrebte es dem Sultan, den Erwartungen Montenegros gere<ht zu werden, dann war wohl Aufklärung zu erwarten, weshalb Fürſt Nikolaus jet no< die Neutralität beobachtete, während andererſeits das journaliſtiſhe Negierung8organ eine Sprache führte, welche die Gemüther in eine kriegeriſche Stimmung verſetzte.

Viel deutlicher war die Situation in Serbien. Die „¡Omladina®, jene Geſellſchaft, welche die Befreiung der Südſlaven und die Gründung eines großſerbiſhen Reiches zu ihrem Programme gemacht hat, hatte ihren Willen durchgeſeßt und das Miniſterium Riſtics hatte der Omladina ſein Daſein zu danken, Durch den Fa>elzug verkündete die Omladina der ſüdſlaviſchen Welt den errungenen Triumph. Die Gemüther waren von Leidenſchaft berauſcht und man kounte fragen: „War Fürſt Milan noh Herr ſeincs Willens 2“

Die europäiſche Diplomatie hatte bis jet feine Erfolge aufzuweiſen, keinen Einfluß auf die Ereigniſſe zu nehmen vermocht. Der Siegesjubel in Conſtantinopel, der Fackelzug in Belgrad, die Niederlage bei Trebinje und das Jutriguenſpiel in Cettinje — gaben ein intereſſantes Geſammtbild, geeignet, in alle Geheimniſſe des Orients einzuweihen.

Von Wichtigkeit waren die diplomatiſchen Vorgänge in Conſtantinopel. ,

Die Abdankung Eſſad Paſchas als Großvezier und die Ernennung Mahmud Paſchas in ſeiner Stellung datirte bereits ſeit dem 24. Auguſt. Am Abende dieſes Tages reichte der ſeitherige Großvezier, ein ſchr rechtſhaffener aber die Verantwortung ſ{heuender Mann, ſeine Entlaſſung ein, und Mahmud Paſcha, der * vom 6. September 1871 bis 31. Juli 1872 bereits erſter Miniſter des Sultans geweſen, wurde noh in ſpäter Stunde in's Palais von Dolma Bagdſche berufen. Daß ex, obwohl bereits ernannt, gleichwohl am anderen Tage nicht in ſein Amt eingeführt wurde, daran waren jene landesüblichen

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