Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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Kriegeriſ<he Hktimmungen.

Mit Beginn des Monats September kamen intereſſante Nachrichten aus Serbien und Mo ntenegro. Bekanntlich hatten dieſe beiden Staaten ſih von jeher mit eiferſüchtigen Augen betrachtet, indem jeder derſelben ſi< für berufen hielt, die Rajahs unter ſeine Fahne zu ſammeln und ein großes Zukunftsreih zu gründen. Jn Belgrad machte man ſi< auf einmal mit dem Gedanken vertraut, daß die beſte Löſung der Schwierigfeiten gefunden wäre, wenn man die Herzegowina zu Montenegro ſchlagen und Bosnien mit Serbien vereinigen würde. Dieſer Vor\<lag war nicht etwa ein bloßes Phantaſiegebilde, ſondern wurde mehr oder weniger ernſt gemeint und auf das Lebhafteſte discutirt.

Man ſignaliſirte aus Belgrad die Exiſtenz ſehr lebhafter Verhandlungen mit Montenegro, die ſih auf ein gemeinſames Verhalten und eventuelles Handeln in der Herzegowina-Frage beziehen ſollten. Dieſe Verhandlungen waren jedenfalls neueren Datums, da man ſi<h bisher in Belgrad und Cettinje ſtets ziemlih reſervirt gegenüberſtand. Man behauptete, daß, ſeitdem Riſtics an der Spitze der auswärtigen Angelegenheiten Serbiens ſtand, mancherlei bisherige Bedenken Serbiens gegen einen intimeren Anſchluß an Montenegro in den Hintergrund treten, und an einer baldigen, endgiltigen ſerbiſ<h-montenegriniſ<hen Ver-

einbarung niht zu zweifeln ſei. Weniger ſan-

guiniſhe Stimmen in Belgrad waren jedoch der Ueberzeugung, daß es bei no< gar keinem früheren Anlaſſe, als gerade dem gegenwärtigen, ſo ſ<hwer geweſen ſei, die etwas auseinanderlaufenden Beſtrebungen Serbiens und Montenegros nach einer einzigen Richtung hin zu vereinigen.

Es hatte ganz den Anſchein, als ob die beiden Vaſallen an die Durchführung eines Compagnie-Geſchäftes gedaht hätten. Es war nur die Frage, ob der Drei-Kaiſer-Bund ſeine Zuſtimmung zu einem ſolchen Projecte ertheilt hätte, wenigſtens in ſo lange, als Oeſterreich ein Mitglied der Triple-Allianz war. Rußland mochte vielleiht, um ſeine alten Schüßlinge zu verbinden, ruhig zuſehen, wie der Panſlavismus ſeine Provinzen vergrößerte, Oeſterreih aber fonnte es wohl niemals dulden, daß an ſeiner Südgrenze eine Beſorgniß zur Gefahr anſhwelle.

Auch andere Mittheilungen ſtroßten von Details militäriſ<er Natur. Alle liefen darauf hinaus, Serbien als am Vorabende kriegeriſher Entſchlüſſe darzuſtellen. So wurde gemeldet, daß in Folge des Druckes, den die Skupſchtina auf die Regierung übte, der

Kriegsminiſter in einſtweiliger Erledigung des von der bosniſhen Deputation der Skupſchtina unterbreiteten Unterſtüßungsgeſuches den Auſtrag ertheilt hätte, Waffen an die bosniſche Deputation zu verabfolgen. Weiters hieß es, daß Rüſtungen im großen Maßſtabe angeordnet worden ſeien. Jm Arſenale von Topſchider wurden Batterien montirt. Als Beleg für den Ernſt der dortigen Situation wurde die Thatſache angegeben, daß die conſervativeren und reicheren Bewohner Belgrads, welche entſchieden gegen jede abenteuerliche Politik ihres Vaterlandes hisher Front gemacht, Vorbereitungen getroffen hätten, auf öſterreichiſhes Gebiet, namentli< nah Semlin zu überſiedeln. Der Terrorismus der Kriegspartei machte ihnen dieſe Borſicht zur Pflicht; dieſe ernſten und beſonnenen Leute jammerten über die herrſchende Tagesſtimmung, wel<he Serbien in den Abgrund zu drängen drohte.

Diplomatiſche Einflüſſe waren in Belgrad wohl no<h ſehr mächtig, allein no< mächtiger war dort der Geiſt der Omladina. Das ſerbiſche Volk wollte den Krieg und ſchrie laut na<h demſelben. Man glaubte in Serbien, wie auh anderwärts, nicht daran, daß die Großmächte, Deſterreih voran, activ interveniren würden, falls Serbien auf den Kriegsfuß träte. Die neuen ſerbiſchen Miniſter waren ohne Ausnahme Männer der That, wohl nebenbei auc geriebene und auf ihren Vortheil bedachte Politiker, aber eben dieſer Vortheil mußte ſie beſtimmen, dem Bolkswillen Gehör zu ſchenken. Falls es der Pforte gelingen ſollte, Bosnien und die Herzegowina wieder unter ihre Botmäßigkeit zu bringen, dann war den Serben für lange Zeit, wenn niht für immer, jede Ausſicht auf Erfüllung ihrer Großmachtsträume benommen. Das wußten aber die Serben und wehe deshalb jenen Männern, durch deren Schuld die Gelegenheit, unter einem plauſiblen Vorwande, dem der Befreiung der Rajahs, loszuſ<hlagen, ungenüßt bliebe.

Die Auſſtändiſchen in der Herzegowina geberdeten ſih, troß der leßten Niederlagen, als ob ſie Sieger geweſen wären, und machten hon von dem vollen Rechte des Siegers Gebrauch, indem ſie harte Friedensbedingungen dictirten. Ein Manifeſt, welches im Kloſter Koſſierewo aufgeſezt worden war, verlangte für Bosnien unddie Herzegowina volle Autonomie, einen Regenten aus einem criſtlihen Herrſcherhauſe — die Dynaſtien des Drei-Kaiſer-Bundes wurden ausdrü>lih als genehm bezeihnet — kurz, der Sultan ſollte ſich mit der Suzerainität über dieſe beiden Provinzen begnfigen, wogegen dieſe ſih zur

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