Albanien und die Albanesen : Landschafts- und Charakterbilder : mit vielen Abbildungen

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lungen faſt nur von Nachkommen ſolcher Flüchtlinge aus Dukadſchin und Merturi, welche einer Blutrache in ihrem

¡ Stammesgebiete halber einſt ausgewändert ſind. Steinmetz

j ſucht bei der großen Liebe, mit welcher dex Albaneſe an “ ſeiner Heimat hängt, die Haupturſache der Jnvaſion

Aliſerbiens niht allein in dem Unſtande, daß das ſterile

“ Gebirgsland der Malcija die ſtetig wachſende Bevölkerung niht mehr zu ernähren vermo>{te, ſondern zu einem be=

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trä<htlichen Teile auh in der Flucht vor der Blutrache. Wer möchle unter Bedachtnahme auf die Zahlen

‘obiger Statiſtik und in Anbetracht des furchtbaren | Elendes, das die Blutrache nachweislih niht mur für ‘ganze Familien, ſondern oft für ganze Landſchaften im __ Gefolge hat, beſtreiten, daß es eine ſhre>lihe Inſtitution

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iſt, dieſe Forderung: „Aug? um Aug', Zahn um Zahn“!

\ Und doch- muß man wieder ſagen, daß in, einem Lande

‘ohne geordnete Rechtspflege, ohne ſtreng waltende Dbrig=

eit, ſelbſt die Blutrache zur Wohltat wird. Was für ‘Buſtände würden in Albanien herrſchen, wo jedermann | ‘bis an die Zähne bewaſſnet iſt, wo jedermann eigentli

* machen fann, was er will, wenn die Furcht vor der j vergeltenden Blutrache niht wäre! Die Frage, ob die

‘Inſtitution der Blutrache ein Fluch für jene Völker iſt,

‘bei denen ſie heute no< herrſcht (wie der Berliner Pro= ‘ſeſſox Deli < in ſeinem 1903 vor Kaiſer Wilhelm , 8chaltenen Vortrag „Babel oder Bibel“ behauptete), läßt

)ſih niht vom Sthreibtiſh im ſtillen Studierzimmer aus beantworten; . um dieſe Frage zu löſen, muß man ſh in ‘den ganzen Gedankengang und in die Leben3weiſe jener Völker hineinverſezen können. Dann wird man finden, ‘daß die Bluiraclie unter den gegebenen Verhältniſſen loas einzig mögliche Mittel zur Aufrehterhaltung einer “Ordnung überhaupt iſt, alſo niht ein Fluch, ſondern. oft ‘ſogar ein Segen. Und es darf mir zur gan3 beſonderen Genugtuung gewichen, daß ih mi<h bei dieſer meiner