Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
Von Haſſo Harden. 239
durcheinander. Weit und faltenreih war die Tracht, für Männer und Frauen faſt gleich; über dem ſ{li<hten Leinen= hemd bauſte fich das lang herabwallende weiße, geſtite Oberkleid, Kethoneth genannt, und darüber wurde meiſt no< der fürzere Mantel, Tilmah, getragen; ein Turban bede>te das Haupt, die Füße waren mit Sandalen bez fſeidet, mit Fingerringen und Juwelen wurde große Ver= ſ{<hwendung getrieben.
In den engen Straßen herrſchte reges geſchäſtiges Leben, Zahlreiche Händler boten in Körben ihre Waaren feil, Ausrufer prieſen Lebensmittel und Gewürze an. Karawanen von Kameelen drängten fi<h dux< die Menge, den Magazinen neue Vorräthe, Glaëſachen aus Phö-z nicien oder Leinen aus Egypten zuzuführen. Hier traf ein Jude, der von Kleinaſiens Küſten fam, mit dem Glauz bensgenoſſen, der weit im Weſten am Tigris anſäſſig war, zuſammen und begrüßte ihn. mit ſchallendem „der Herr ſei mit Dir“ — dort zog ein fröhlicher Hochzeitszug vorüber. Plößli< erſchallen die langgezogenen Stöße der Tuba und im Gleichtritt ſchreitet eine Kohorte der römiſchen Legionare durch die Straße, Bogenſchüßen voran, von Troßknechten und Marketendern gefolgt.
Es wird Abend; die Poſaunen künden vom Tempel her den Beginn des Sabbath. Ein Feder ſteht ſtill und vex= richtet ſein Gebet, indem ex das Geſicht dem Moriahhügel zufehrt — der Phariſäer, den die vier blauen Troddeln am Obexfleid und dex um die Stirn gewundene Gehbet= riemen auszei<hnet, wirſt ſih auf die Knice nieder und fleht in lautem theatraliſchen Pathos zu Jehovah. Dann