Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
240 Seruſalem einſt und jebt,
ſteigt der Hoheprieſter, von zahlreichen weißgetleideten Amtsgenoſſen umgeben, vom Tempel Herab. Ein präch= tiges purpurblaues Obergewand, das unten mit goldenen Glöfchen und buntfaxbenen Granatäpfeln beſet iſt, um= hüllt feine Geſtalt; darüber fällt faltig das mantelartige dreifarbige Cfod über Schultern und Nü>en, ein breiter Gürtel, mit zwölf foſtbaren Edelſteinen geſhmüd>t, Hält es zuſammen — es ſind dieſe Juwelen jene berühmten Onyxe, auf denen die Namen der Stämme Juda ein= gravirt waren. Auf dem Kopf trägt der Hoheprieſter einen weißen Turban, um den ein zweiter blauer gewunden iſt “und aus deſſen Mitte eine dreifache in einer Bilſenkraut= blüthe endende Krone hervorragt.
Aber auf die Nachblüthe Jeruſalems unter dem prachtliebenden Herodes folgte bald wieder der Rüdttſchlag. Nü= miſe Statthalter drü>ten das Land und ſchonten aus Unkenntniß wie aus Uebermuth die Sitten und Gebräuche ſeiner Bewohner nicht; endlich empörte ſich das Volk gegen die fremden Gewalthaber, es kam zum Aufſtand und zu deſſen blutiger Niederwerfung, zur faſt gänzlichen Zer=ſtórung Jeruſalems dur< Titus. Abermals wurde die Heilige Stadt zu einem großen Trümmerhaufen gleich dein, welchen Nebucadnezar zurücgelaſſen. Af den Ruinen gründete im Fahre 130 n. Chr. Hadrian die römiſche Tolonie Aelia Capitolina.
Erſt drei Jahrhunderte nah Chriſti Geburt begann Seruſalem ſich wieder ſelbſtſtändig zu entwi>eln; die fromme Kaiſezin Helena wallfahrtete nach den heiligen Stätten, unter ihrem Cinſluß wurde die vergeſſene und verſchüttete Stelle